Bereits seit Ende März sind Sitzungen des Gemeinderats via Videokonferenz in Großrinderfeld ein Thema. Am vergangenen Donnerstag war es dann soweit: eine erste Video-Sitzung fand statt. Und zwar nach den strengen Regularien des im Mai neu geschaffenen §37a der Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Dabei ging die Öffentlichkeitsbeteiligung über die Vorgaben des Landes hinaus.

Bildschirmfoto der Videokonferenzsitzung in Großrinderfeld.
Die Teilnehmer der Sitzung des Ausschuss für Digitalisierung und Kommunikation in Großrinderfeld am 3. Dezember 2020. Der Teilnehmer „MB“ war ein Rechner, der die Übertragung zu Internet-Zuschauern vornahm. (Bildschirmfoto: Rainer Gerhards)

Konkret hat allerdings nicht der Gemeinderat getagt, sondern der Ausschuss für Digitalisierung und Kommunikation. Die Generalprobe sollte zunächst einmal im etwas kleineren Kreis statt finden. Es hatten sich jedoch auch viele Mitglieder des Gemeinderats hinzu geschaltet.

Der lange Weg zur „Pilotsitzung“

Der Weg bis hier war lang. Im April waren Video-Ratssitzungen nach dem Gesetz noch gar nicht erlaubt. Nur mit Tricks und Kniffen konnte man sie für weniger wichtige Tagesordnungspunkte nutzen. Da für die wichtigen Sachen ohnehin Präsenzsitzungen nötig waren, haben wir in Großrinderfeld damals besser geschaut, dass wir die Präsenz möglichst sicher machen – und sind von Anfang an in Turnhallen ausgewichen und haben zur Hochphase (wie heute leider auch wieder) auf Masken gesetzt. Diskussionen im kleinen Kreis gab es natürlich trotzdem per Videokonferenz.

Am 20. Mai kam dann die Gesetzesänderung und Sitzungen per Videokonferenz wurden möglich. Allerdings mit sehr hohen technischen Hürden:

  • es muss sich zwingend um Videokonferenzen handeln, das heißt das Bild der Teilnehmer muss übertragen werden
  • die Öffentlichkeit muss durch Übertragung in einen öffentlichen Raum (z.B. Sitzungssaal) gewährleistet sein; Übertragungen ins Internet reichen nicht aus
  • und, selbstverständlich, aber schwierig: der deutsche Datenschutz muss gewahrt bleiben (das ist nicht ganz so einfach, weil eigentlich keines der großen Videokonferenzsysteme wirklich alle Datenschutzbelange erfüllt)

Im Mai war die Corona-Lage relativ entspannt. Eine Notwendigkeit, Video-Ratssitzungen zu führen bestand definitiv nicht. Wir hatten gehofft, dass die zweite Corona-Welle klein ausfallen würde. Aber klar war das keineswegs, und daher wurde bei Adiscon auch fleißig an einer gesetzeskonformen Lösung gearbeitet.

Ab Herbst wurde es konkreter

Im September war es dann soweit, das Grundkonzept stand, war intern getestet und stand für erste Anwendungen bereit. Wir nutzten das System dann auch aktiv. So wurde unter anderem eine Konferenz für den #Dorfwettberwerb erfolgreich über das System ausgeführt. Wir nutzten es aber auch für andere interne Besprechungen und ein paar größere und internationale Treffen bei Adiscon. Die Sache bewährte sich recht gut und wurde fortlaufend weiter optimiert.

Parallel zur Technik wurde im Rathaus an den rechtlichen Voraussetzungen für Videositzungen des Gemeinderats gearbeitet. Am 10. November war es dann soweit und der Gemeinderat verabschiedete die entsprechende Änderung der Hauptsatzung und machte damit den Weg frei, Videositzungen auch nach 2020 durchführen zu können (bis zum 31.12. ist das Übergangsweise auch ohne diese Änderung möglich). Damit sind wir die erste Kommune im Landkreis, die diese Möglichkeit auch im nächsten Jahr noch besitzt.

Der Großrinderfelder Bürgermeister Johannes Leibold leitet die Videositzung des
Großrinderfeld’s Bürgermeister Johannes Leibold leitet die Videositzung des „Digital-Ausschuss“ vom Sitzungssaal des Rathaus aus. Hinter ihm die Projektion der Sitzung für die vor Ort teilnehmende Öffentlichkeit (Foto: Matthias Ernst)

Nun war fast alles beisammen. Was noch fehlte, war die genaue Umsetzung nach Gemeindeordnung, und dabei besonders die Übertragung in einen Sitzungssaal. Ende November war auch das dann fertig. Wobei uns Öffentlichkeit nur im Sitzungssaal als zu wenig erschien. Gerade im Hinblick auf die aktuell hohe Gefährdung durch Corona möchten wir eigentlich niemandem zumuten, sich in einen Sitzungssaal, und damit unnötig potentiell in Gefahr, zu begeben. Daher übertragen wir Video-Sitzungen auch im Internet. Das Konzept sieht dafür extra eine recht aufwändige Lösung vor, die eine klare Trennung zwischen eigentlicher Ratssitzung und der Übertragung für die Zuhörenden vorsieht. Beides übrigens datensparsam. Daher verwenden wir auch kein Streaming über YouTube.

Die Generalprobe

Was fehlte, war noch die Generalprobe, die alle Stücke zusammenfügt. Das geschah dann am 3. Dezember in Form der virtuellen Sitzung des Ausschuss für Digitalisierung und Kommunikation. Dabei anwesend waren auch sehr viele Gemeinderäte. Bürgermeister Leibold leitete die Sitzung vom Rathaussaal aus. Dort war die Sitzung auch für die zwei anwesenden Zuhörer über Beamer und Mikrofon zu verfolgen. Der Internet-Übertragung folgten, so Rainer Gerhards, auch meist zwei Zuhörer. So ganz genau kann man diese Nutzung nicht nachvollziehen – zu gut ist dafür der Datenschutz. „Aber“, so Gerhards, „die konkreten Nutzungsdaten brauchen wir auch nicht“. Entsprechend wisse man auch nicht, wer über’s Web teilgenommen hat.

Die Generalprobe hat im großen und ganzen prima geklappt. Zu Beginn gab es einige Probleme bei der Einwahl und dem Beitreten zur Sitzung. Damit hatten wir gerechnet, und entsprechend eine hinreichend lange „Begrüßungsphase“ vor der Sitzung vorgesehen. In der Sitzung selbst war das „Hauptproblem“ dann eher das versehentliche nicht-Einschalten von Mikrofonen – was sich aber binnen Sekunden durch Hinweis beheben lies.

Zum Inhalt der Sitzung selbst verweisen wir auf den Bericht in den Fränkischen Nachrichten.

Wie geht es nun weiter?

Die Konzeption steht, die rechtlichen Voraussetzungen sind geschaffen, die Generalprobe war erfolgreich. Insofern könnte man nun mit der virtuellen Gemeinderatssitzung loslegen. Eigentlich ist das aber gar nicht gewollt. Viel lieber ist es uns, wenn die Sitzungen weiterhin in Präsenz statt finden können.

Damit Präsenzsitzungen möglichst lange machbar bleiben wurde und wird auch kräftig gearbeitet. Neben der üblichen Einhaltung der Hygieneregeln haben wir schon seit März nur in großen Hallen getagt.

Wichtiges Thema: Lüftung

Schon im Sommer wurden die Hallen in Bezug auf ihre Lüftungsmöglichkeiten geprüft. Seit September werden bei Sitzungen CO2-Messungen durchgeführt, die das Risiko von Corona-Infektionen erkennbar machen und gleichzeitig aufzeigen, wie man es niedrig halten kann.

Protokoll der Messung der Luftqualität bei der Gemeinderatssitzung am 10. November in Gerchsheim. Von der CO2-Belastung kann man auch auf die Gefahr von Corona-Infektionen schließen. Werte unter 800 sind gut, solche unter 600, wie hier in der Sitzung, sehr gut. (Grafik: Rainer Gerhards)

Wir können das Infektions-Risiko einer Sitzung also durchaus einschätzen. Zusätzlich wissen wir, wie wir durch Lüftungskonzepte das Risiko reduzieren können. Diese Konzepte werden aktiv angewandt, überwacht und anhand der gewonnen Daten erforderlichenfalls auch nachjustiert. Dadurch sind wir übrigens auch in der Lage in Bezug auf Sitzungen mit besonders vielen Teilnehmenden geeignet vorzugehen.

Risikoreduzierung durch Masken

Eine zweite ganz wichtige Stellschraube sind Masken. Sie reduzieren das Ansteckungsrisiko ganz erheblich. Das geht deutlich auch aus dem aktuellen Papier der Aerosol-Expertengruppe des Landes hervor.

Wirksamkeit unterschiedlicher Schutzmasken entsprechend der Aerosol-Expertengruppe des Landes Baden-Württemberg (Quelle: Land)

Bereits im Frühjahr hatte der Rat bei Sitzungen Masken genutzt. Seit der deutlichen Verschlimmerung der Lage ist das seit Dezember 2020 auch wieder der Fall.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat „Maske tragen während der Ratssitzung“ in einem konkreten Streitfall übrigens als erforderlich und geeignet angesehen „um die Funktionsfähigkeit des Gemeinderats aufrechtzuerhalten und einzelne Räte, die zur Risikogruppen gehören könnten, zu schützen.“ Details im Artikel des Staatsanzeiger Baden-Württemberg.

Weitere Möglichkeiten

Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, die den Infektionsschutz bei Ratssitzungen ermöglichen. Da wir aber immer weiter vom Kernthema abkommen, wollen wir das nicht weiter ausführen.

Ein sehr wichtiges Mittel sei aber kurz erwähnt. Es kommen nur Dinge auf die Tagesordnung, die wirklich wichtig sind und behandelt werden müssen. Davon gibt es aktuell allerdings leider zur Genüge.

Keine hundertprozentige Risikofreiheit

Eines ist aber klar: bei einer Präsenzsitzung bleibt immer ein gewisses Restrisiko. Das kann man stark minimieren. Verschwinden tut es nicht. Komplett Risikofrei ist nur die virtuelle Sitzung. Dessen sollte man sich bewusst sein.

Wann kommt also die erste „volle“ Gemeinderatssitzung per Videokonferenz?

Hoffentlich gar nicht – denn dann wäre die Lage noch schlimmer als aktuell ohnehin schon. Der Bürgermeister entschiedet über die Art der Sitzungsdurchführung. Der wird sich sicherlich die Fakten sehr genau anschauen und dann entscheiden.

Einen Automatismus gibt es aber sicherlich nicht. Selbst wenn der Kreis die Sieben-Tage Inzidenz von 200 überschreiten sollte, ist das nicht sofort ein Signal für Videositzungen. Dazu muss man eben die anderen Rahmenbedingungen beachten. Es gilt aber: sollten Präsenzsitzungen ethisch nicht mehr vertretbar sein, dann ist Großrinderfeld gut gerüstet und kann auf Video-Sitzungen umschwenken. Damit ist die Handlungsfähigkeit in allen Fällen gewährleistet. Warum ist das so wichtig? Ein kleines Beispiel: letztens wurde eine Sondersitzung einberufen, um einen dringlichen Förderantrag zu stellen. So etwas möchten wir im neuen Jahr auch dann noch können, wenn die Corona-Lage schlechter wird.

Es gilt also das Motto: „Auf das Beste hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein„.

Die Video-Sitzung als Regelfall ist übrigens in der Gemeindeordnung nicht vorgesehen. Sie wird es daher auch nur in Notsituationen geben.

Nachtrag: Rechtsunsicherheiten bei Video-Sitzung

Wie uns am 8.12. bekannt wurde, hat der Staatsanzeiger Baden-Württemberg bereits am 4.12. einen Artikel zur möglichen Rechtsunsicherheiten bei Video-Ratssitzungen veröffentlicht. Der Artikel bringt Bedenken speziell gegen sogenannten Hybrid-Sitzungen vor, bei denen ein Teil der Mitglieder des Gemeinderats im Sitzungssaal anwesend ist und ein anderer Teil per Videokonferenz. Diese Konzeption ist in Großrinderfeld aktuell nicht vorgesehen und wurde von uns schon immer kritisch gesehen.

Außerdem werden Bedenken hinsichtlich der Begründung der tatsächlichen Notwendigkeit der Video-Sitzung geäußert. Aus unserer Sicht deckt sich das mit der weiter oben geschilderten Präferenz für Präsenzsitzungen und der genauen Bewertung der Risikolage. Je konkreter die Notwendigkeit der Videositzung begründet werden kann, desto sicherer ist auch deren rechtlicher Rahmen. Auch aufgrund dieser Fragen möchten wir uns Videositzungen allerdings tatsächlich für die Fälle vorenthalten, wenn es wirklich nicht anders geht. Das war erkennbar auch die Intention des Gesetzgebers. Man schaue sich dazu auch gerne einmal die Landtagsdebatte an.

Im Endeffekt wäre es uns sicher lieber gewesen, wenn der Landtag Videositzungen ohne Wenn und Aber, und auch ohne zwingende Bildübertragungen ermöglicht hätte. Dann hätte es die Gremien und Bürgermeister:innen vor Ort sicherlich schon sinnvoll gerichtet. Dazu hat der Landtag sich aber nicht durchringen können. Immerhin gibt es aber eine brauchbare Regelung, wenn es wirklich „hart auf hart“ kommt. Und wir sind nun bereit, sie einzusetzen.