Virtuelle Gemeinderatssitzungen sind seit Mai 2020 in Baden-Württemberg erlaubt. Die technischen und organisatorischen Hürden sind aber hoch. So muss die Sitzung zwingend per Vidoekonferenz durchgeführt werden. Hier erklären wir, wie man die Sitzung datensparsam durchführen kann und wie man dabei die Öffentlichkeit einbinden muss. Dabei gibt es eine recht praxisferne aber notwendige Lösung laut Gemeindeordnung sowie die Sinnvolle mittels zusätzlicher Übertragung ins Internet. Wir zeigen, was man organisatorisch beachten muss und wie man das mit der Software Jitsi Meet realisieren kann.

Virtuelle Ratssitzungen erfordern nur „übliche“ Technik bei Sitzungs-Teilnehmenden und Zuhörende. Auf Veranstalterseite gibt es aber einiges zu beachten. (Foto: Rainer Gerhards)

Basics – die Onlinesitzung

Dies ist die eigentliche Sitzung des Gremiums. Sie wird daher im Folgenden auch als „Hauptsitzung“ bezeichnet. Hier finden Beratungen und ggf. Abstimmungen statt. Alle Mitglieder des Gremiums, Bedienstete sowie Externe (z.B. Beratende) wählen sich in diese Sitzung ein.

Die Hauptsitzung wird als „normale“ datensparsame Sitzung mit der Software Jitsi Meet geführt. Teilnehmer müssen über entsprechende Endgeräte verfügen (auch z.B. Tablets). Details dazu kann man dem Artikel zu datenschutzkonformen Videokonferenzen entnehmen.

In der Videokonferenz muss man zwei Rollen unterscheiden: Zum einen die Sitzungsleitenden (meist Bürgermeister:innen oder Ortsvorsteher:innen) sowie die technische Moderation. Letztere kümmert sich um die technischen Belange. Nur notfalls sollten beide Funktionen in einer Person vereinigt werden.

Die Sitzung sollte über Passwort geschützt werden. Zusätzlich prüft die (technische) Sitzungsmoderation bei jedem neuen Teilnehmer dessen Identität und Berechtigung (durch Anfrage). Dabei kann sie auch die Anwesenheitsliste mit pflegen. Die Sitzungsmoderation kann Teilnehmer des virtuellen Raumes verweisen und dies mit den entsprechenden Mitteln der Software auch durchführen. Empfehlenswert ist es, wenn die Sitzungsmoderation von einer Person vorgenommen wird, die keine anderen Funktionen während der Sitzung wahrnimmt (vor allem bei größeren Sitzungen). Diese Person kann darüber hinaus jedoch auch der Verwaltung der Zuschauer-Sitzung (siehe unten) übernehmen.

Bei Abstimmungen empfehlen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit namentliche Abstimmung nach Aufruf durch die Sitzungsleitung („ja“/“nein“/“Enthaltung“).

Die Sitzung im öffentlichen Raum

Die Gemeindeordnung Baden-Württemberg (§37a) verlangt bei öffentlichen Sitzungen die Übertragung in einen „öffentliche Raum“. Nach den Auslegungshinweisen des Innenministeriums darf es sich dabei nicht um einen virtuellen Raum handeln. Üblich wäre wohl ein Sitzungssaal, aber auch die Übertragung auf ein Aussengelände ist erlaubt (und bei gesundheitlichen Notlagen wie Corona unter Umständen auch sinnvoll). Wir gehen im Folgenden von einem Sitzungssaal aus.

Die Minimalanforderung ist, dass in dem Raum sowohl Bild und Ton übertragen und für die potentiellen Zuschauer sicht- und hörbar gemacht werden.

Konkret bedeutet das:

  • Im Raum wird ein PC aufgestellt
  • dieser PC wird als Sitzungsteilnehmer aufgenommen
  • sein Bildschirm-Bild (der Konferenz) wird über Beamer oder ähnliches hinreichend groß projeziert
  • der Konferenz-Ton muss hinreichend laut über Lautsprecher ausgegeben werden

Zum PC ist mindestens ein Bediener erforderlich. Dieser Bediener kann ein Sitzungsteilnehmer sein. In diesem Fall kann der Sitzungsteilnehmer auch über den PC direkt an der Sitzung teilnehmen, d.h. sein Bild und Ton werden in die Sitzung übertragen. In diesem Fall ist jedoch besonders darauf zu achten, dass keine sonstigen Personen in Bild oder Ton „aus Versehen“ mitübertragen werden. Dazu ist es sinnvoll, wenn Teilnehmende im Raum das Mikrofon nur bei Wortbeiträgen abschalten. Aufgrund der gesetzlichen Regelung in Baden-Württemberg muss das Bild (Kamera) jedoch die ganze Zeit über angeschaltet bleiben.

Ist im Raum nur der Bediener, wird die Abschaltung von Mikrofon und Kamera während der gesamten Sitzung sehr empfohlen. Dies verhindert von vorneherein mögliche Datenschutzprobleme.

Sofern Anfragen der Zuhörenden in der Tagesordnung vorgesehen sind, kann der Bediener diese entgegen nehmen und in die Sitzung einbringen. Zuhörende sollten auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht selbst sprechen. Dies würde deren vorherige, aus Beweisgründen schriftliche, Zustimmung zur Übertragung der Wortmeldung erfordern.

Als Alternative wird empfohlen, Anfragen von potentiellen Zuhörende bereits in den Tagen vor der Sitzung abzufragen. Dies kann über eine Web-Seite oder auch per Telefon erfolgen.

Tipp: platziert man die technische Moderation im Sitzungssaal, kann sie dort auch die Aufgaben des Bedieners übernehmen.

Öffentliche Übertragung der Sitzung ins Internet

Gesetzlich nicht erforderlich, unserer Meinung nach aber wesentlich sinnvoller als die (notwendige!) Übertragung in einen Sitzungsraum: die Übertragung ins Internet. Denn die garantiert gerade in Gesundheits-Notlagen wie der Corona-Pandemie eine sichere Teilhabe. Und das auch für eine größere Teilnehmermenge.

Prinzipiell gibt es drei Realisierungsmöglichkeiten:

  1. Zuhörende werden in die eigentliche Sitzung mit aufgenommen
    Das ist prinzipiell keine gute Lösung (Datenschutz, Störmöglichkeiten, …) und sollte vermieden werden. Als Notlösung ist es allenfalls bei sehr kleinen Sitzungen möglich, vielleicht im Ortschaftsrat.
  2. Zuhörende werden in eine eigene Videokonferenz aufgenommen, die vollständig von der eigentlichen Sitzung getrennt ist.
    Diese Vorgehensweise gestattet eine sehr datensparsame Übertragung, die Störer-Problematik bleibt aber im Bereich der Zuhörerschaft. Außerdem ist sie für große Zuhörendenmengen (mehr als 50, insbesondere aber mehr als 200) aufgrund technischer Grenzen kaum möglich.
  3. Zuhörende erhalten einen Live-Stream (z.B. über YouTube)
    Das löst eigentlich alle Probleme, ist aber dafür technisch aufwändig. Alternativ lässt es sich auch mit „erträglichem“ Aufwand über YouTube Streaming lösen, dann allerdings nur mit Einschränkungen beim Datenschutz.

Im Folgenden beschreiben wir lediglich Lösungsansatz 2, also zwei entkoppelte Videokonferenzen. Bitte beachten Sie dabei unbedingt die Kapazität der beteiligten Jitsi Server. Wird eine hohe Zuhörendenmenge erwartet, sollte zumindest mit zwei getrennten Servern gearbeitet werden. Der „Zuhörenden-Server“ sollte dann gezielt im Hinblick auf die große Anzahl von „Nur-Zuhörenden“ optimiert sein.

Hier in Stichworten die wichtigsten technischen Aspekte für diese Lösung:

  • Jitsi-Meeting mit Hauptsitzung
    • passwortgeschützt
    • Meeting-Link wird nur Sitzungsteilnehmenden mitgeteilt
  • Jitsi-Meeting für Zuhörende
    • öffentlich zugänglich ohne Passwort
    • Meeting-Link wird öffentlich mitgeteilt
  • Es wird ein weiterer PC als „Brücke zwischen den Sitzungen verwendet“ („Brücken-PC“)
    • passiver Teilnehmer an der öffentlichen Ratssitzung (ggf. Trennung bei Wechsel in nichtöffentlichen Teil)
    • aktiver Teilnehmer/Moderator der Zuhörendensitzung
    • sollte hinreichend Leistungsfähig für Aufnahme und Weiterleitung der Sitzung sein
  • Technische Einstellung „Brücken PC“
    • es muss der ganze Bildschirm (nicht nur ein Fenster!) mit der Hauptsitzung geteilt werden, sonst kann kein System-Ton übernommen werden.
    • bei der Bildschirmfreigabe „auch Audio“ mit einschalten
    • in beiden Jisti-Sitzungen (Hauptsitzung und Zuhörende) wird Kamera und Mikrofon abgeschaltet; die Audio-Weiterleitung funktioniert trotzdem
    • offensichtlich, aber wichtig zu bedenken:
      • bei Systemen mit nur einem Bildschirm muss die Administration der Zuhörenden-Sitzung über einen weiteren PC erfolgen
      • es empfiehlt sich hier, zunächst die Hauptsitzung aufzubauen, Mikro/Kamera aus
      • danach die Zuhörenden-Sitzung
      • danach in der Zuhörenden-Sitzung Bildschirmfreigabe und Micro/Kamera aus
      • anschließend Zuhörenden-Sitzung minimieren
      • und Hauptsitzung maximieren
    • Tipp: der Brücken-PC kann im Sitzungssaal platziert werden und auch die Ton- und Bildausgabe dort übernehmen. Dafür muss dann natürlich die Tonausgabe abgeschaltet sein. Macht man das so, spart man einen PC.

Weiterführende Informationen