Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland Ende Januar erklärt, alle positiven Corona-Proben auch auf Mutationen zu untersuchen. Das ist höchst lobenswert, kann man doch so verlässliche Daten über die Ausbreitung insbesondere der kritischen Mutationen finden. Die werden nicht nur Baden-Württemberg helfen. Da alles noch neu ist, fehlen (natürlich) viele Detailinformation. Hier ist zusammengefasst, was wir Stand heute (8.2.21) wissen.

Coronavirus SARS-CoV-2
Coronavirus SARS-CoV-2 (Foto: CDC)

Übrigens: hier geht es zu einer Übersicht der R-Werte aller Kreise in Baden-Württemberg. Der R-Wert gib grob das Wachstum an. In der Theorie sollte es in Kreisen mit vielen Corona-Mutationen auch hohe R-Werte geben. Leider fehlen aber noch Daten, um dies tatsächlich zu bestätigen oder widerlegen.

Verbreiten sich die Mutationen in der Bevölkerung?

Leider ja. Die ersten Fälle standen in Zusammenhang mit Reiserückkehrern aus Großbritannien bzw. Südafrika. Inzwischen wurden beide Varianten auch bei Personen gefunden, bei denen kein Kontakt nach Großbritannien bzw. Südafrika vorlag.

Seit dem 7. Februar sind Fälle in ganz Baden-Württemberg aufgetreten, in allen 44 Kreisen.

Wo findet man aktuelle Informationen zu den Mutationen?

Momentan berichtet das Landesgesundheitsamt (LGA) zusammenfassend über die Anzahl der aufgetretenen Mutationen in seinem täglichen Lagebericht. Aussagen zur Art der Mutation oder der Anzahl der Fälle pro Landkreis werden aktuell leider noch nicht veröffentlicht.

Wir fassen die Meldung des LGA momentan manuell in einer Tabelle zusammen und erzeugen daraus auch eine Grafik. Die Tabelle ist hier öffentlich zugänglich.

Bestätigte Corona-Mutationen in Baden-Württemberg (Grafik: Rainer Gerhards, Daten: Landesgesundheitsamt BW)

Wie ist der Ablauf der Untersuchungen?

  1. ein Abstrich wird in Wohnortnähe bei der potentiell infizierten Person genommen und an das zuständige Labor gesendet
  2. dort wird erst einmal grundsätzlich auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 mit PCR getestet; liegt die nicht vor, ist die Sache klar und wird nicht weiter untersucht.
  3. positive Proben werden dann noch direkt im Labor mit weiteren PCR-Tests auf Anzeichen von Mutationen untersucht (dazu wird gezielt nach bekannten typischen mutierten (Spike-)Proteinen gesucht).
  4. danach werden alle Proben sequenziert. Hierbei können auch bisher unbekannte Mutationen entdeckt werden. Die Sequenzierung kann nicht in jedem Labor durchgeführt werden, daher kann ein Versand der Probe an ein Labor mit Sequenzier-Möglichkeit nötig werden.

Wie aktuell sind die gemeldeten Tageszahlen?

Dazu gibt es leider keine genaue Aussage. Zunächst waren wir ich der Meinung, dass sie doch recht aktuell sind. Grund dafür ware der Ablauf oben: dann wird Schritt 2 und 3 im gleichen Labor durchgeführt, und das vermutlich sehr zeitnah. Von daher ist zu vermuten, dass mittels PCR ermittelbare Mutationen noch am gleichen Tag oder spätestens am Folgetag erkannt werden. Diese Mutationen machen den weitaus größten Teil der Fälle aus. Daher kann man vermuten, dass die täglich vom LGA veröffentlichen Zahlen der Neuinfektionen und Mutationen „sehr gut zusammenpassen“. Vermutlich ist die Mehrzahl der Falle am gleichen oder Folgetag gemeldet.

Gegen diese These sprechen aber gewichtige Gründe: zum einen wird das Landesgesundheitsamt nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Daten nicht mit der Tagesmeldung der Neuinfektionen korreliert werden sollen. Zum anderen liest man in den Meldungen von Landkreisen, dass Mutationen in „Fällen aus der Vergangenheit“ gefunden wurden. Auch aus anderen Quellen erscheint eine Verzögerung von einigen Tagen zwischen Bestätigung der Corona-Infektion als solche und dem Mutationsnachweis zu bestehen. Vermutlich unterscheidet sich das auch nach untersuchendem Labor. Dann wäre der zeitliche Versatz auch nicht gleichmässig.

Die endgültige Bestätigung der Mutation erfolgt über Sequenzierung. Hierbei werden auch sonstige Mutationen erkannt. Dies erfolgt im 4. Untersuchungsschritt und vermutlich immer mit einer gewissen Zeitverzögerung.

Insgesamt kann man unserer Meinung nach aktuell davon ausgehen, dass die Werte der neuen Mutationen den Neuinfektionen um bis zu einige Tage hinterherlaufen. Auch ist der zeitliche Unterschied vermutlich nicht ganz exakt. Kurz gesagt korrelieren also Datum der Neuinfektion und Datum der Mutationsmeldung nicht exakt. Der Sieben-Tage Wert wird hier besser geeignet sein. Auf jeden Fall ist er als Maß für das Wachstum der Mutationen geeignet. Eine gewisse zeitliche Ungenauigkeit ist ohnehin in allen Corona-Fallzahlen enthalten (z.B. durch den Meldeweg). Wie bei den Tageswerten der Corona-Neuinfektionen ist es aber sicherlich sinnvoll, mit Sieben-Tage-Mittelwerten zu arbeiten. Dazu liegen in Kürze ja auch hinreichend Daten vor.

[Dieser Abschnitt wurde zuletzt am 12.02.21 aktualisiert.]

Wird wirklich jede Probe sequenziert?

Laut Land ein klares „Ja“. Das Land rechnet bei der derzeitigen Lage der Pandemie mit bis zu 10.000 positiven Proben pro Woche. Diese Proben sollen durch die Sequenzierung des vollen Genoms nicht nur auf die beiden bislang bekannten, sondern auf alle Virusvarianten und neu auftretenden Veränderungen hin untersucht werden.

Damit ist es eben auch möglich, sich lokal neu bildenden Mutationen zu erkennen oder bisher unbekannte Einschleppungen.

Hat Baden-Württemberg die Sequenzierungskapazitäten dafür?

Ja. „Wir haben in Baden-Württemberg die Kapazitäten, in wenigen Tagen 100 Prozent der positiven Proben zu analysieren“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 8. Februar in Stuttgart. Genutzt würden unter anderem die Labore der Universitätskliniken und auch private Labore. Darunter auch das European Molecular Biology Laboratory (EMBL), das Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie das DFG-Sequenzierzentrum.

Sie Mutationen prinzipiell gefährlich?

Nein. Mutationen waren auch erwartbar und sind absolut üblich. Viele davon sind harmlos. Einige allerdings nicht. Als „Mutation“ bezeichnet man übrigens eigentlich eine ganz bestimmte Änderung an der Struktur des Virus (z.B. der Spike-Proteine). Das Virus als ganzes kann eine einzige Mutation tragen, oder auch eine Menge davon. Die Menge aller Mutationen, die ein Virus trägt, macht es zu einer „Variante“ – das sind alle Viren mit exakt den gleichen Mutationen. Unter diesen Varianten gibt es einige wenige, die zur Sorge Anlass geben.Um die geht es. Für sie gibt es den Sammelbegriff „VoC“, was für „variant of concern“ und damit auf deutsch treffend für „besorgniserregende Variante“ steht.

Aktuell besondere Beachtung finden die Varianten B.1.1.7 (B117), die „britische Variante“ und B.1.351 (B1351), die Brasilianische. Bei B.1.1.7 vermutet man sehr stark ein leichtere Übertragbarkeit, bei B.1.351 insbesondere eine eingeschränkte Immunität durch Impfung oder überstandene COVID-19 Erkrankung. Sowie noch einige weitere Probleme im Detail. Neue VoC können prinzipiell jederzeit auftreten.

Aus der Pressemitteilung des Landes

Die flächendeckende Sequenzierung positiver SARS-CoV-2-Proben läuft in Baden-Württemberg kraftvoll an. Gemeinsam haben die Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg und Tübingen und das Landesgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit ihren Partnern bereits rund 1.000 positive Proben vollständig sequenziert Dabei wurden sowohl die in Großbritannien (B.1.1.7) als auch die in Südafrika (B.1.351) erstmals beschriebenen Varianten von SARS-CoV-2, die eine höhere Infektiosität aufweisen, auch in Baden-Württemberg gefunden. Universitätsklinika und private Labore bauen aktuell die notwendige Logistik auf, um die Kapazitäten weiter hochzufahren.

„Durch die systematische Untersuchung des Virus auf Veränderungen können Mutationen, die ein besonderes Risiko beispielsweise im Hinblick auf die Übertragbarkeit, Krankheitsschwere und Wirksamkeit von Impfstoffen bergen, rasch erkannt und gezielte Maßnahmen ergriffen werden. Darüber hinaus kann so das Auftreten weiterer Veränderungen des Virus und das Auftreten neuer Varianten schnell erkannt und eingegrenzt werden. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, möglichst schnell, verlässlich und flächendeckend mehr zu wissen. Nur so können wir die Verbreitung von Covid-19 eindämmen. Ich bin dankbar, dass sich ein breites Netzwerk unserer Universitätsklinika und Labore im Land zusammengeschlossen hat, um möglichst viele positive Proben auf Mutationen zu untersuchen. Wir haben in Baden-Württemberg die Kapazitäten, in wenigen Tagen 100 Prozent der positiven Proben zu analysieren“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Montag (8. Februar) in Stuttgart. Erst eine Woche zuvor hatte das Kabinett grünes Licht gegeben, künftig die Proben aller positiven Corona-Tests auf Varianten untersuchen zu lassen.

„Der Überblick über den Anteil der bekannten Virusvarianten sowie die Ent­deckung neuer relevanter Virusmutationen ist von großer Bedeutung für die Kontrolle und Überwachung des Infektionsgeschehens. Die gute Laborlandschaft im Land sowohl im niedergelassenen Bereich als auch bei den Universitäts­kliniken und beim Landesgesundheitsamt leisten hier einen wichtigen Beitrag und arbeiten eng zusammen“, betonte Gesundheitsminister Manne Lucha.

„Unsere Universitätsklinika tragen mit ihrer herausragenden Labor-Kompetenz und ihren Kapazitäten maßgeblich dazu bei, das notwendige Wissen über die Verbreitung des Virus zu erhalten. Wir werden immer schneller darin, auch neue Mutationen zu entdecken und zu entschlüsseln“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Die Universitätsklinika in Heidelberg und Tübingen in Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Partnern European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie mit dem DFG-Sequenzierzentrum sind in der Lage, mehrere Tausend Proben in der Woche zu sequenzieren. Dies wird ergänzt durch die Kapazitäten an den weiteren Universitätsklinika sowie in den privaten Laboren, so dass ausreichend Sequenzierkapazität im Land vorhanden ist, um alle positiven Proben zu untersuchen. „Die nun aufgebaute Struktur wird uns jetzt und auch für die Zukunft helfen“, so Bauer.

Eigene landesweite Datenbank bringt wissenschaftlichen Mehrwert

Daten würden rasch an das Robert-Koch-Institut gemeldet. „So trägt Baden-Württemberg wesentlich dazu bei, eine Übersicht über die Verbreitung des Virus und der Mutationen in Deutschland zu erhalten.“ Darüber hinaus werde eine eigene landesweite Datenbank zu wissenschaftlichen Zwecken aufgebaut. „Die gewonnenen Daten bringen nicht nur einen Mehrwert, was die Verbreitung des Virus angeht. Sie werden den Wissenschaftlern und damit der Gesellschaft auch neue Erkenntnisse zu Virusmutationen ermöglichen. Diese können dann für die Entwicklung neuer Impfstoffe und Therapeutika genutzt werden“, betonte Bauer. Gerade in der Bekämpfung der Pandemie müssten sich Forschung und Kranken­versorgung besonders eng austauschen: Forschungsergebnisse müssten sofort in neue Therapien und auch in die epidemiologische Lagebeurteilung einfließen.

Vorgeschaltete PCR-Untersuchungen bereits flächendeckend etabliert

Informationen über das Vorliegen der bekannten Virusmutanten können auch gezielte, spezielle PCR-Untersuchungen liefern. Diese Methode ist bereits flächendeckend in den Laboren in Baden-Württemberg etabliert. Durch die nachgeschaltete Vollgenomsequenzierung können die Virusvarianten bestätigt sowie genetische Veränderungen und neue Virusvarianten aufgespürt werden.

Bislang wurden in Baden-Württemberg insgesamt 1046 Fälle mit Virusvarianten an das Landesgesundheitsamt – das ebenfalls seit Mitte Januar die spezielle PCR-Diagnostik durchführt – übermittelt, davon handelte es sich in 532 Fällen um die Großbritannien-Mutante (B.1.1.7) und in 24 Fällen um die Südafrika-Mutante (B.1.351), in zwei Fällen um die Brasilien-Variante (B1.1.28). In 488 Fällen steht die Ausdifferenzierung der Mutante noch aus.

Ergänzende Informationen:

Das Land rechnet bei der derzeitigen Lage der Pandemie mit bis zu 10.000 positiven Proben pro Woche. Diese Proben sollen durch die Sequenzierung des vollen Genoms nicht nur auf die beiden bislang bekannten, sondern auf alle Virusvarianten und neu auftretenden Veränderungen hin untersucht werden.

Der Bund bezahlt laut der aktuellen Testverordnung die Untersuchung von 5 Prozent der positiven Proben. Für den Rest kommt das Land auf und stellt dafür 31,5 Millionen Euro bereit.

In Baden-Württemberg trat die britische Virusmutante B.1.1.7 erstmals am 24. Dezember 2020 auf. Am 11. Januar 2021 wurde auch die mutierte Variante B.1.351 bei einer Familie, die am 13. Dezember 2020 aus Südafrika nach Baden-Württemberg eingereist war, erstmals nachgewiesen. Inzwischen wurden beide Varianten auch bei Personen gefunden, bei denen kein Kontakt nach Großbritannien bzw. Südafrika vorlag.

Quelle: Pressemitteilung des Landes

Weitere Informationen rund um Covid-19 (Corona, SARS-CoV-2), auch im Main-Tauber Kreis, gibt es auf der Übersichtsseite zu Coronavirus in Großrinderfeld und Main-Tauber Kreis.
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