Wenn man in Presse und soziale Medien schaut, dann hat man oft diesen Eindruck. Um es vorab zu sagen: Strom gab es immer genug. Er war aber für die Netzbetreiber relativ teuer. Um Kosten zu sparen, hat der Baden-Württembergische Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW die Bürger gebeten, sparsam mit Strom umzugehen. Und daraus haben dann viele direkt ein Katastrophenszenario gemacht.

Große Transportleitungen – die Autobahnen unseres Stromsystems. (Symbolfoto: 1195798 / Pixabay)

Heute auch mit reißerischem Titel!

Ja, da habe ich mir gegönnt. Dieser Artikel hat auch einmal einen reißerischen Titel, wenn auch nicht wirklich irreführend. Deutlich Wilderes hat man heute auch bei „der großen Presse“ gesehen. So viel nur zur Warnung, nun werden wir wieder seriös.

Um es nochmal zu betonen: weder in Großrinderfeld noch anderswo ist uns heute der Strom ausgegangen.

Was war der Grund der Warnung?

Strom war genug da, sogar mehr als genug. Im Norden gab es sehr viel Windstrom. Das führte im Handel zwischen den großen Energieversorgern, an der Strombörse, zu sehr niedrigen Preisen. Daher kauften auch die Baden-Württembergischen Versorger diesen billigen Strom ein. So weit, so gut.

Was am Stromhandel nicht so gut ist, ist das niemand danach schaut, ob der Strom überhaupt transportiert werden kann. Denn genau wie auf Autobahnen nur eine gewisse Menge Fahrzeuge passen, kann man auch über Stromkabel nur gewissen Strommengen transportieren. Das kennt jeder, der zu Hause schon einmal zu viele Geräte an den gleichen Stromkreis angeschlossen hat – dann fliegt die Sicherung raus.

Im Stromsystem will man natürlich nicht, dass „die Sicherung rausfliegt“. Daher wird der Windstrom im Norden gedrosselt, also Windräder abgeschaltet. Auch das ist gut, dann den Rest kann man immerhin über die vorhanden Leitungen transportieren. Nicht so gut ist aber, dass im Süden jetzt tatsächlich Strom fehlt.

Auch das ist kein technisches Problem. Wir sind in einem riesigen Europäischen Verbundnetz. Wir haben auch genug Leitungen z.B. in die Schweiz. Der fehlenden Strom wird in solchen Fällen wie heute von den großen „Übertragungsnetzbetreibern“ (hier: Transnet BW) dann im Ausland eingekauft. Oft in der Schweiz. Das kostet aber Geld. Relativ viel Geld sogar, weil die Strommenge sehr kurzfristig abgerufen wird. Das verursacht hohe Kosten, daher ist dieser Strom teuer.

Außerdem muss der Strom aus dem Norden auch bezahlt werden. Schließlich gibt es da einen Vertrag. Man zahlt in so einem Fall also den Strom mindestens zwei Mal, und oft noch deutlich teurer wegen der Kurzfristigkeit.

Redispatch

Dieser ganze Vorgang nennt sich „Redispatch“ – nur damit man es mal gehört hat. Die Kosten dafür übernehmen die Netzbetreiber. Sie werden an die Verbraucher über die Netzentgelte weitergeleitet.

Transnet BW bemüht sich, die Kosten zu reduzieren, indem um sparsamen Verbrauch in den entsprechenden Zeit gebeten wird. Dabei geht es meist um zeitlich verschiebbare Verbräuche. Wie z.B. die Waschmaschine, die oft auch ein paar Stunden später laufen kann. Oder und ganz besonders das Laden von z.B. Elektroautos. Denn dort ist es meist egal, ob sie ein paar Stunden früher oder später geladen werden (sofern man nicht gerade auf langer Fahrt ist).

Einschränken muss sich aber niemand, denn schließlich ist ja genug Strom im europäischen Netz.

Im Endeffekt fehlte dann in Baden-Württemberg aber doch Strom?

Ja, das stimmt. Redispatch ist nicht gut. Das Problem sollte auch schnellstmöglich behoben werden, da es nicht nur Kosten verursacht, sondern auch deutlich Mehrarbeit für die Netzbetreiber bedeutet. Außerdem ist die Netzsteuerung in solchen Situation schwieriger als normal, und auch hierin liegt ein gewisses Risiko.

Die Netzbetreiber fordern auch den beschleunigten Netzausbau sowie den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken.

Warum tritt das Problem auf?

Richtig ist, dass mehr Stromproduktion im Süden die Situation deutlich entspannen würde. Dabei geht es heutzutage natürlich um Windräder, PV-Anlagen und Gaskraftwerke. Wobei letztere mittelfristig mit grünem Wasserstoff betrieben werden sollen. Darin kann man auch „überschüssigen“ Windstrom speichern.

Das Hauptproblem ist aber der fehlende Netzausbau – allem voran SuedLink. Ganz in Vergessenheit geraten ist auch, dass in der ursprünglichen Strategie zum Atomausstieg die Abschaltung des Atomkraftwerk Neckarwestheim an die Fertigstellung von SuedLink gekoppelt war. Denn SuedLink liefert den Strom unter anderem nach Neckerwestheim. Von dort wird er dann über die Verteileinrichtungen am ehemaligen AKW in den Rest des Ländle verteilt.

Soweit die Theorie – SuedLink hat sich aber gewaltig verzögert. Es wird sicherlich noch mindestens zwei oder drei Jahren dauern, bis die Stromtrasse fertig gestellt ist. Vermutlich noch länger. Neckarwestheim wurde aber letztes Jahr mit nur einer kleinen Verzögerung abgeschaltet. Auch erneuerbare Energien wurden nicht entsprechend zugebaut. Engpässe werden auch daher häufiger.

Versorgungssicherheit gegeben

Aber: die Versorgungssicherheit ist gegeben. So schnell geht in Baden-Württemberg nicht der Strom aus. Allerdings, so darf man nach den Nachrichten der letzten Monate vermuten, die Strompreise werden auch nicht unbedingt sinken – zum März haben fast alle Versorger schon Preiserhöhungen um mindestens zwei Cent je kw/h angekündigt.