Wie hoch ist das Risiko von Corona-Infektionen durch ein Treffen oder eine Veranstaltung? Diese Frage treibt hoffentlich viele Veranstalter und Teilnehmende um – sei es im Privaten wie auch Geschäftlichen. Hier der Versuch einer leicht verständlichen „Checkliste“ zur Risikoeinschätzung.

Infografik: Grob-Bewertung Corona-Risiko für Veranstaltungen
Diese Infografik fasst grob die wichtigen Fragen zur Bewertung des Corona-Risikos bei Veranstaltungen zusammen. Grün bedeutet „geringes Risiko“, im roten Bereich dann „hohes Risiko“ – mit allen möglichen Zwischenschritten. Details im Text. Klick für große Grafik. (Grafik: Rainer Gerhards)

Vorab: leicht verständlich und exakt genau – das sind Widersprüche. Es gibt jedoch ohnehin keine wirklich sichere Formel zu Berechnung des Infektionsrisikos. Daher kann auch eine grobe Richtlinie helfen. Daher verwenden wir im Artikel Vereinfachungen und betrachten keine weniger wichtige Risikofaktoren.

Corona-Risiko von Veranstaltungen: Wie zusammenfassend bewerten?

Wir nennen unten einzelne Risikofaktoren. Sicherlich ist nicht jeder Faktor exakt gleich wichtig. Für eine erste Bewertung kann man trotzdem sagen: je mehr der einzelnen Punkte auf „geringes Risiko“ hindeuten, desto unkritischer ist die Veranstaltung oder das Treffen. Gehen viele Antworten in Richtung „hohes Risiko“, dann sollte man eine Veranstaltung noch einmal überdenken. Und zwar sowohl als Veranstalter als auch als potentiell Teilnehmender.

Wichtig: dies ist keine „Absage-Liste“. Im Gegenteil: bei vielen der Einzelpunkte hat man es im Griff, eine Veranstaltung durch gezielte Maßnahmen zu ermöglichen. So kann man z.B. durch die Einführung einer Maskenpflicht oder auch die Kürzung auf die notwendige Mindestlänge Vieles ermöglichen. Man bedenke auch, das unnötige Absagen die allgemeine Akzeptanz von Corona-Maßnahmen reduzieren. Was ein echtes Problem ist. Jeder Veranstalter, im Großen wie im Kleinen, kann hier durch Nachdenken im Vorfeld mithelfen. Allerdings: nimmt man das verbleibende Restrisiko als zu hoch wahr, dann sollte man tatsächlich besser absagen – und das dann aber gut begründen.

Tipp für an einer Veranstaltung interessierte Menschen: man hat auch bei der persönlichen Sicherheit Vieles selbst in der Hand: tragen Sie eine gute Maske (ideal OP-Maske oder besser), halten Sie Abstand und bleiben Sie auch auf der Veranstaltung vorsichtig. Das persönliche Risiko lässt sich so stark reduzieren.

Sitzung des Gemeinderats Großrinderfeld am 12. Mai 2020
Große Halle, wenig Menschen – hilft das wirklich immer „sicher“ vor Corona-Infektionen? Hier eine Sitzung des Gemeinderats Großrinderfeld mit Zuschauern. (Foto: Rainer Gerhards)

Nach dieser Vorrede nun zum eigentlichen Thema.

Voraussetzungen für Corona-Infektionen

Notwendig für Infektionen sind Corona-Viren. Daher muss sich auf der Veranstaltung mindestens eine Person befinden, die tatsächlich infektiös ist. Je mehr Teilnehmer infektiös sind, desto kritischer.

Für Neuinfektionen ist es außerdem notwendig, das noch nicht infizierte Corona-Viren einzuatmen. Je höher de Anzahl der eingeatmeten Viren ist, desto größer ist vermutlich die Chance, sich tatsächlich zu infizieren. Anders gesagt: sehr geringe Virenmengen führen meist nicht zur Infektion (Fachartikel dazu).

Für eine Neuinfektion ist es also erforderlich, das Corona-Viren von infektiösen Personen eine gewisse Distanz überbrücken um dann in ausreichender Menge von bisher nicht infizierten Personen eingeatmet zu werden. Darüber hinaus kann man sich auch durch Berühren von mit Viren „verseuchten“ Oberflächen (auch Haut) infizieren. Dieser Weg ist allerdings weitaus weniger selten (RKI) und fließt daher hier nur „nebenher“ in die Risikobewertung ein.

Corona-Risikofaktoren und ihre Bewertung

Wir sprechen jeden Risikofaktor kurz an und nennen dann weitere Details. Für eine grobe Bewertung reicht es aus, immer nur den ersten Satz (fett gedruckt) zu lesen.

Coronavirus SARS-CoV-2
Coronavirus SARS-CoV-2 (Foto: CDC)

Lebensalter der Teilnehmenden

Je weniger ältere Menschen (insb. 70+) teilnehmen, desto geringer ist das Risiko von ernsthaften Erkrankungen.

Hier wird ausnahmsweise zwischen ernsthaften Erkrankungen und reinen Infektionen unterschieden. Nach aktuellem Erkenntnisstand scheint das Lebensalter nämlich nicht die Infektionswahrscheinlichkeit als solche zu verändern, wohl aber das Risiko von (sehr schweren) Verläufen. Will man „nur“ die Verbreitung von Corona verringern, dann spielt das Lebensalter also keine Rolle. Dennoch ist in vielen praktischen Fällen auch die Bewertung der Wahrscheinlichkeit schwerer Erkrankungen wichtig. Daher wurde das hier mit aufgenommen.

Das Risiko ernsthaft zu Erkranken ist für junge Menschen sehr gering und steigt mit zunehmenden Lebensalter (und Vorerkrankungen). Das Risiko für eine schweren Verlauf steigt ab 50. Tödliche Verläufe gibt es in Deutschland vor allem bei über 70-jährigen. Auch junge Menschen können schwer erkranken, das Risiko dafür ist aber gering. [Steckbrief RKI, Kapitel 4].

Einstellung der Teilnehmenden zu Corona

Je ernster die Teilnehmenden Corona nehmen, desto geringer das Risiko.

Die Einstellung zu Corona bestimmt erheblich das Verhalten. Wer Corona ernst nimmt, wird sich auch im sonstigen Leben eher vorsichtig und angemessen verhalten. Bei Corona-Leugnern als anderem Extrem ist hingegen nicht einmal auszuschließen, dass ein positiv Getesteter sich über Quarantäne hinweg setzt und teilnimmt. Für die Risikobetrachtung sind „Übervorsichtige“ Teilnehmende sicherlich der Idealfall – auch wenn „Übervorsicht“ ansonsten wenig hilfreich sein kann.

Anzahl der Teilnehmenden

Je weniger Menschen teilnehmen, desto geringer ist das Risiko.

Sind weniger Menschen anwesend, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit von infektiösen Teilnehmenden (siehe dazu aber auch weiter unten). Kleine Veranstaltungen sind daher weniger kritisch als große Familienfeiern oder echte Großveranstaltungen mit mehren zehntausend Teilnehmern (daher sind letztere aktuell auch noch verboten).

Dauer der Veranstaltung

Je kürzer die Veranstaltung, desto geringer ist das Risiko.

Das RKI sieht selbst im direkten Gespräch einen Kontakt von weniger als 15 Minuten als weitgehend risikolos an. Generell gilt: je kürzer das Treffen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit eine zur Infektion ausreichende Virenmenge aufzunehmen. Das gilt vor allen Dingen im Hinblick auf Aerosole. Zumal die für weiträumige Verteilung eine gewisse Zeit benötigen. Stundenlange Sitzungen, Veranstaltungen aber auch Seminare und ähnliches bergen ein wesentlich höheres Risiko.

Tragen von Schutzmasken

Je mehr Teilnehmende gute Schutzmasken tragen, desto geringer das Risiko.

Wenn alle Menschen hochwertige FFP2 Masken ohne Ausatemventil tragen, besteht das geringste Risiko. Das andere Extrem ist, wenn keiner Maske trägt. Dann ist das Risiko deutlich höher. Dazwischen gibt es viele Abstufungen, hier der Versuch in der Auflistung mit aufsteigendem Risiko: FFP2, OP-Maske, mehrlagige Stoffmaske, einlagige Stoffmaske, dünner oder grob gewebter Stoff (Schal oder T-Shirt), keine Maske. Hochwertige Masken mit Ausatemventil sind nur für den Selbstschutz geeignet. In Bezug auf das Risiko in einer Veranstaltung kann man „Masken mit Ausatemventil“ wie „trägt keine Maske“ bewerten – außer, fast alle Teilnehmenden würden sie tragen. Das ist aber unrealistisch.

Belüftung

Je besser die Belüftung, desto geringer das Risiko. Wobei „Belüftung“ hier die Rates des Luftaustauschs meint.

Ein windiger Berggipfel bietet das geringste Risiko. Prinzipiell gilt: je schneller der Luftaustausch ist, desto geringer das Risiko. Rascher Luftaustausch verhindert eine infektiöse Menge von Coronaviren in Aerosolform. Ein starker Zug kann evtl. sogar Tröpfchen verwehen. Starker Zug kann allerdings andere gesundheitliche Probleme verursachen.

Grundregel: im Freien ist es eigentlich immer deutlich weniger riskant als in Innenräumen. Überhaupt nur in Extremsituation kann man sich einen besser belüfteten Innenraum vorstellen.

Größe des Raums

Je größer der Raum, desto geringer das Risiko.

Risikoarm ist es im Freien (als „größtmöglicher Raum“), höheres Risiko besteht im „Halbfreien“ (Stadien, Teilverglaste Aussenbereiche, gefolgt von großen Räumen (große Sporthallen, Turnhalle, Stadthallen) hin zu immer kleineren Räumen. Wer’s technisch mag: je weniger Raumvolumen in Kubikmetern, desto riskanter.

Abstände zwischen den Teilnehmenden

Je größer der Abstand, desto geringer das Risiko.

Risikoarm ist ein großer Abstand, insbesondere mehrere Meter. Dann ist lediglich Aerosol-Übertragung möglich. Mit sinkendem Abstand steigt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion. Ab einem Abstand von ein bis zwei Metern dürfte das Risiko sprunghaft ansteigen, da dann auch Töpfchen-Übertragung möglich wird. Höchstes Risiko liegt bei engem oder keinem Abstand vor, z.B. bei „Tuchfühlung“ beim Tanz.

Infektiöse Teilnehmende

Je geringer die Wahrscheinlichkeit, das infektiöse Menschen teilnehmen, desto geringer das Risiko. Je mehr Menschen infektiös sind, desto höher das Risiko.

Idealerweise steht fest, dass niemand infektiös ist – dann kann ein Risiko sogar komplett ausgeschlossen werden. Diese Sicherheit gibt es allerdings nicht. Mit der Einführung von Corona-Schnelltests (Antigen-Tests), könnte man hier große Verbesserungen erzielen. Heute gibt es diese Tests in Deutschland aber noch nicht. Ohne solche Test muss man versuchen, das Risiko anhand von anderen Faktoren zu bewerten. Aus unserer Sicht wichtig:

  • Herkunft der Teilnehmenden – Alle aus einer Region? Oder weitreichend verteilt, Extrem: über ganz Deutschland und angrenzendes Ausland (Großveranstaltungen wie Konzerte und Messen!)
  • Inzidenzen in den Herkunftsgebieten: bei nur einer oder wenigen Regionen kann man die Inzidenz (Anzahl Neuinfektionen innerhalb von 7 Tagen) als Richtwert verwenden. Die Zahlen findet man z.B. im Corona-Dashboard des RKI.

Es besteht offensichtlich auch ein enger Zusammenhang zur Veranstaltungsgröße und der Einstellung der Teilnehmenden zu Corona. Erfahrungsgemäß lässt sich bei sehr großen Veranstaltungen kaum noch eine individuelle Abschätzung treffen. Hilfsweise kann man dann einfach davon ausgehen, dass schon hinreichend Infektionsrisiko vorliegt – und deshalb nur die anderen Faktoren bewerten.

Sonstige Quellen und Verweise

Hier sind einige zusätzliche Quellen und nützliche Verweise aufgeführt, die im obigen Text nicht direkt verlinkt sind.

Anregungen, Kommentare?

Anmerkung des Autors: Ich bin weder Viruloge noch Epidemieloge, von daher sind alle Angaben mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen. Ich bin allerdings als in komplexen Zusammenhängen tätiger Informatiker gewohnt, sauber zu recherchieren und kann versichern, dass diese Artikel nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt ist.

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Weitere Informationen rund um Covid-19 (Corona, SARS-CoV-2), auch im Main-Tauber Kreis, gibt es auf der Übersichtsseite zu Coronavirus in Großrinderfeld und Main-Tauber Kreis.
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