Wenn die Cloud plötzlich nicht erreichbar ist, wenn eine App Daten in die USA schickt oder wenn eine Gemeinde keinen Zugriff auf ihre eigenen digitalen Akten hat – dann zeigt sich, wie abhängig wir digital geworden sind. Genau darum geht es bei digitaler Souveränität. Und darum geht es auch in diesem Artikel.

Symbolische Darstellung der Digitalen Souveränität in Europa. Die Karte Europas ist mit Ikonen verbunden, die Cloud-Sicherheit, Code/Software, Governance/Institutionen, Daten/Dateien, Vernetzung/Nutzer und Technologie/Zahnrad symbolisieren.
Symbolbild: Digitale Souveränität (Grafik: Rainer Gerhards mittels KI)

Was das bedeutet digitale Souveränität?

Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeit von Staaten, Regionen, Unternehmen und Bürgern, ihre digitalen Systeme und Daten unabhängig, sicher und selbstbestimmt zu nutzen.

In der Praxis ist das heute allerdings fast nie vollständig der Fall: Viele Verwaltungen, Schulen und Unternehmen setzen auf internationale Cloud- oder Softwareanbieter – von Büroanwendungen bis zu Videokonferenzen. Damit liegt ein Teil der digitalen Infrastruktur außerhalb der eigenen Kontrolle.

Wichtig ist deshalb eine realistische Perspektive: Das lässt sich nur mittel- bis langfristig ändern. Aber es ist inzwischen ein zentrales politisches und gesellschaftliches Ziel – und jeder kleine Schritt hilft: bei der Softwarewahl, beim Betrieb von Systemen oder bei der Nutzung offener Standards. Es geht nicht darum, sich von Partnern wie den USA abzugrenzen, sondern Schritt für Schritt mehr eigene Handlungsfreiheit zu gewinnen – in Europa, in Baden-Württemberg und in unseren Gemeinden.

Auch die Politik hat diese Bedeutung erkannt:

Warum digitale Souveränität wichtig ist…

  • Kritische Infrastruktur: Energieversorgung, Verwaltung und Gesundheit hängen heute vollständig an IT-Systemen. Wer hier die Kontrolle verliert, verliert Handlungsspielraum.
  • Wirtschaftliche Chancen: Regionale Unternehmen können Lösungen entwickeln, die auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten sind – Wertschöpfung bleibt vor Ort.
  • Datenschutz und Grundrechte: Wer Kontrolle über die eigenen Daten behält, kann Rechtsrahmen und Werte selbst bestimmen.

Offene Software aus Baden-Württemberg

Ein wichtiger Baustein für digitale Souveränität ist Open Source – frei verfügbare Software, deren Quellcode offenliegt und die unabhängig betrieben werden kann. Sie verringert Abhängigkeiten und stärkt Transparenz.

Beispiele aus Baden-Württemberg und Umgebung, die nachweislich souverän nutzbar sind:

  • Nextcloud – Plattform für digitale Zusammenarbeit mit Sitz u. a. in Stuttgart, betreibbar im eigenen Rechenzentrum oder bei europäischen Anbietern.
  • ILIAS – Lernplattform (u. a. Hochschule Stuttgart), Grundlage des Digitalen Weiterbildungscampus Baden-Württemberg.
  • OpenEMS – Software-Baukasten für Energiemanagement (Raum Karlsruhe), quelloffen und flexibel erweiterbar.
  • OpenMUC – Entwicklungsgrundlage für intelligente Energienetze (Fraunhofer ISE, Freiburg), offen dokumentiert und flexibel aufgebaut.
  • rsyslog – weltweit eingesetzte Software zur Verarbeitung von Log-Daten, entwickelt in Großrinderfeld.

Diese Bausteine zeigen: Souveränität ist kein theoretisches Konzept, sondern technisch machbar – heute, hier.

Ein lokaler Blick – auch in Großrinderfeld

Digitale Souveränität ist kein fernes Thema, sondern betrifft uns direkt vor Ort.

Unsere Gemeinde nutzt – wie viele andere – die Dienste von Komm.ONE, dem kommunalen IT-Dienstleister des Landes. Dort laufen Fachverfahren und Register in öffentlichen Rechenzentren in Deutschland, betrieben unter Landesaufsicht.

Auch die Gemeindehomepage zeigt, dass digitale Eigenständigkeit möglich ist: Sie wird innerhalb der Europäischen Union von der Hetzner Online GmbH, einem deutschen Anbieter mit Rechenzentren in Deutschland und Finnland, technisch betrieben. Die Betreuung erfolgt durch einen deutschen Dienstleister, eingesetzt wird das freie Redaktionssystem TYPO3. So bleiben die Daten im europäischen Rechtsraum und unterliegen vollständig dem europäischen Datenschutzrecht.

Darüber hinaus engagieren sich in der Region weitere Akteure:

  • Schwarz Digits / STACKIT (Neckarsulm): Angebot für Cloud-Dienste mit Betrieb in eigenen Rechenzentren in Deutschland – eine Alternative zu großen internationalen Anbietern wie Google Cloud oder Amazon Web Services.
  • NetCom BW (Ellwangen): Glasfaserausbau als Grundlage für digitale Eigenständigkeit.
  • Komm.ONE: Einheitliche, souveräne Verwaltungs-IT im öffentlichen Auftrag.

Mehr Wettbewerb nützt allen

Mehr Wahlmöglichkeiten führen zu besseren Produkten. Vielfalt treibt Innovation, Qualität und faire Preise – auch im internationalen Vergleich. Digitale Souveränität bedeutet daher Wettbewerb auf Augenhöhe und kluge Kooperation, nicht Abschottung.

Zusammenarbeit statt Abschottung

Internationale Zusammenarbeit bleibt unverzichtbar. Damit sie auf Augenhöhe funktioniert, müssen wir über eigene Infrastrukturen und Kompetenzen verfügen. Das erreichen wir schrittweise – durch offene Standards, nachvollziehbare Software und klare Zuständigkeiten.

Fazit

Digitale Souveränität ist ein Weg, kein Schalter. Kurzfristig ändert sich wenig, mittel- bis langfristig aber viel – wenn wir konsequent auf offene, überprüfbare und europäisch betriebene Lösungen setzen. Jeder Schritt zählt: im Rathaus, im Unternehmen und privat. So behalten wir Kontrolle, fördern Innovation – und sichern digitale Zukunft auch hier in Tauberfranken.

Möchten Sie News aus Großrinderfeld und dem Main-Tauber Kreis direkt in WhatsApp erhalten? Dann abonnieren Sie meinen Kanal (hier). Wichtig: niemand sieht Ihre Telefonnummer!

Faktencheck (Stand 2025)