Der Bau der SuedLink-Stromtrasse kommt sichtbar voran – auch bei uns in der Region. Doch während bisher Hindernisse wie Straßen oder Biotope unterirdisch gequert wurden, könnte sich das an zwei Stellen auf Großrinderfelder Gemarkung ändern. Die Landesstraße 578 (Gerchsheim–Großrinderfeld) sowie die Kreisstraße 2882 (Großrinderfeld–Ilmspan) sollen nach aktuellen Überlegungen offen gequert werden. Für Verkehrsteilnehmer hieße das: Sperrung und Umleitung – voraussichtlich im Sommer.

Die SuedLink Trasse quert bei Gerchsheim einen Feldweg und den Grundgraben in geschlossener Bauweise – hier die Baustelle Anfang März 2025. (Foto: Rainer Gerhards)

Auf der letzten Sitzung des Gemeinderats sorgte diese mögliche Änderung für Irritation. Noch ist keine Entscheidung gefallen, aber TransnetBW – das für SuedLink in Baden-Württemberg zuständige Unternehmen – prüft, ob eine offene Bauweise an den beiden Straßen technisch und organisatorisch sinnvoll ist. Der Vorschlag kam von der bauausführenden Firma Leonhard Weiss. Für die L 578 gilt er bereits als wahrscheinlich, bei der K 2882 läuft die Prüfung noch.

Den Kommentar zum Thema finden Sie in einem eigenen Artikel: „SuedLink: Wichtiger denn je – und doch unnötig verkompliziert“.

Begründung durch TransnetBW

„Unsere Baufirmen sind dazu angehalten, Optimierungsvorschläge für den Bauablauf bei uns einzubringen. In diesem Zuge wurde nun eine Optimierung der K 2882 sowie der L 578 als offene Bauweise durch Leonhard Weiss eingereicht“, erklärt Projektsprecherin Helene Dann. „Ob die K 2882 im Rahmen der Prüfung dieses Vorschlags als offene Bauweise weiterverfolgt wird, ist gerade noch in Klärung.“

Geplant und genehmigt war ursprünglich eine geschlossene Bauweise, also ein unterirdisches Verfahren wie Microtunneling. Dieses wird vor allem dort eingesetzt, wo sensible Bereiche geschont werden müssen, zum Beispiel bei Gewässern oder Biotopen – aber eben auch bei Straßen und Feldwegen. Auch für die L 578 und K2882 war dieses Verfahren im genehmigten Plan bereits vorgesehen.

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Planänderung erforderlich

„Im Planfeststellungsbeschluss sind die genannten Kreuzungen als geschlossene Bauweise genehmigt“, so Dann. weiter „Allerdings werden wir den Bauweisenwechsel als Planänderungsverfahren bei der Bundesnetzagentur einreichen.“ Die betroffenen Straßen seien bereits mit dem Landratsamt abgestimmt worden.

Man beachte: der Ausbau von SuedLink wird nach einem besonderen Verfahren durch die Bundesnetzagentur genehmigt. Von diesem sogenannten „Planfeststellungsbeschluss“ darf nicht so ohne weitere abgewichen werden. Dazu ist muss des Planänderungsverfahren genutzt werden. Erst wenn die Änderungen genehmigt sind, darf anders gebaut werden.

Wann das der Fall ist hängt also vom Zeitpunkt der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur ab. „Wir rechnen nach aktuellem Stand mit einer Genehmigung im Sommer dieses Jahres“, so Dann. Voraussichtlich sollen die Sommerferien für die Arbeiten genutzt werden. „Für die Baumaßnahmen müssen die Straßen gesperrt werden. Wir gehen jeweils von einem Zeitraum von wenigen Wochen aus. Genauere Angaben hierzu können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht machen. Wir sind bemüht, die Beeinträchtigungen vor Ort so gering wie möglich zu halten.“

Fragen zur Bauweise

Doch trotz dieser Beteuerungen sorgt der Vorschlag für Nachfragen. Dieses Vorgehen sorgt auch bei einigen Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinderäten für Verwunderung. Schließlich hatten die Fränkischen Nachrichten in den vergangenen Wochen mehrfach darüber berichtet, dass Gewässer, Straßen und Eisenbahnlinien durchgängig in geschlossener Bauweise unterquert werden sollen – also ohne große Eingriffe an der Oberfläche. Warum ausgerechnet bei einer frisch sanierten Straße in der Großrinderfelder Gemarkung eine Ausnahme gemacht werden soll, erscheint vielen schwer nachvollziehbar.

Stellungnahme des Landratsamts

In der aktuellen FN-Ausgabe weist auch Markus Moll, Pressesprecher des Landratsamts Main-Tauber-Kreis, auf die besondere Situation hin: „Bezüglich der Querung der L 578 Gerchsheim – Großrinderfeld für den Bau des SuedLinks laufen derzeit Abstimmungsgespräche zwischen dem Bauherrn TransnetBW und dem Landratsamt. Eine Entscheidung gibt es noch nicht.“

Gleichzeitig macht er deutlich, dass das Straßenbauamt bei Anträgen für offene Bauweisen dann zustimmt, wenn die Straßendecke ohnehin erneuerungsbedürftig ist: „In diesem Fall muss der Bauherr die Kosten für die Wiederherstellung der Straßendecke tragen, sodass der Straßenbaulastträger Mittel spart und an anderer Stelle einsetzen kann.“

Widerspruch zwischen Planung und Zustand

Gerade dieser Punkt wirft Fragen auf, denn bei der K 2882 trifft das offenbar nicht zu: Die Fahrbahn wurde erst im Jahr 2024 erneuert – auch in dem Abschnitt, der nun für eine offene Querung vorgesehen ist. Laut Markus Moll wird eine offene Bauweise vom Kreis-Straßenbauamt in der Regel nur dann genehmigt, wenn die Straßendecke ohnehin sanierungsbedürftig ist. Diese Voraussetzung ist hier augenscheinlich nicht gegeben. Damit ergibt sich ein Widerspruch zwischen der aktuellen Planung und den vom Landkreis genannten Kriterien. Eine nachvollziehbare Begründung für die geplante offene Bauweise an dieser Stelle steht bislang aus.

Kosten, Nutzen und weitere Fragen

Zudem ist das Verfahren für eine Planänderung aufwändig: Neue Unterlagen, Behördenbeteiligung, Fristen für Einwendungen. Kritiker fragen sich, wie das unter dem Strich kostengünstiger sein soll als das bereits genehmigte Microtunneling.

Auch die Frage, ob noch weitere Änderungen bei anderen Querungen entlang der Trasse folgen, ist derzeit offen. Eine entsprechende Anfrage an TransnetBW wurde von mir gestellt, eine Antwort steht noch aus.

Rolle der Gemeinde

Bürgermeister Johannes Leibold bestätigt, dass die Gemeinde informiert wurde und einer Anfrage zur Sperrung grundsätzlich zugestimmt hat. Rechtlich betrachtet hat sie auch kaum andere Möglichkeiten aufgrund der besonderen Regelung des Trassenausbaus in einem eigenen Bundesgesetz. Als Begründung für die Änderungen, so Leibold, seien „eine wirtschaftlichere Bauweise und Kostenersparnis“ genannt worden. Zufrieden ist Leibold damit nicht: „Die Straßensperrung stellt eine Behinderung dar – hoffentlich nicht zu lange.“

Weitere offene Punkte

Auch in anderen Punkten bleibt Klärungsbedarf: Die geplante Bodenaufbereitungsanlage auf Großrinderfelder Gemarkung wurde bisher nicht gebaut und wird voraussichtlich auch nicht gebaut werden. Sie blockiert aber weiterhin die an gleicher Stelle geplante Freiflächen PV-Anlage.

Einwendungen nur online möglich

Die Planänderung selbst wird – wie gesetzlich vorgeschrieben – ausschließlich online auf der Webseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Eine gezielte Information z.B. über die Presse ist nicht vorgesehen. Bürgerinnen und Bürger, deren Belange betroffen sind, haben nach Veröffentlichung in der Regel zwei Wochen Zeit, um Einwendungen zu erheben. Sie müssen also die Seite der Bundesnetzagentur aufmerksam beobachten.

Fazit

Noch ist vieles in Bewegung. Klarheit zu Bauweise, Zeitplan und möglichen weiteren Änderungen entlang der Trasse wird erst der Sommer bringen. Sobald neue Informationen vorliegen, berichten wir erneut.

Das Wichtigste in Kürze

Hier die wichtigsten Fakten in der Kurzüberischt.

  • Was ist geplant? TransnetBW möchte für zwei Straßen bei Großrinderfeld (L 578 und K 2882) statt der bisher genehmigten unterirdischen Querung eine offene Bauweise umsetzen.
  • Wie läuft das Verfahren? Für diese Änderung ist ein eigenes Planänderungsverfahren bei der Bundesnetzagentur notwendig.
  • Wo erfährt man davon? Die geänderten Pläne werden ausschließlich auf der Webseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht – eine Auslegung vor Ort findet nicht statt.
  • Kann man sich beteiligen? Ja. Betroffene Bürgerinnen und Bürger, Behörden und anerkannte Umweltvereinigungen können innerhalb von zwei Wochen nach Veröffentlichung Einwendungen einreichen.
  • Wie funktioniert das? Einwendungen sind schriftlich oder per E-Mail möglich. Name und Anschrift müssen angegeben werden. Es gibt keine Eingangsbestätigung, und individuelle Antworten erfolgen nicht.