Wie Sie vielleicht schon gelesen haben, hat sich der Gemeinderat bei seiner letzten Sitzung für die Abschaffung der unechten Teilortswahl ausgesprochen. Ich habe dem, nach langer Überlegung, auch zugestimmt. Hier möchte ich erklären, warum. Ich fasse mich bewusst kurz um das schwierige Thema anhand der wichtigsten Dinge zu erklären.

Anzahl Gemeinderatssitze und Kandidierende bei der Gemeinderatswahl 2024 in Großrinderfeld. Man sieht sehr deutlich die ungleiche Verteilung, und man sieht auch, dass die Kandidaten in zwei Ortschaften von vorneherein feststanden. (Grafik: Rainer Gerhards)

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Was ist die unechte Teilortswahl?

Grob gesagt geht es darum, dass jede Ortschaft von mindestens einem Gemeinderat aus der Ortschaft vertreten ist. Vom Rat wird festgelegt, wie viele Mitglieder aus der jeweiligen Ortschaft in den Rat kommen. Für Großrinderfeld und Gerchsheim waren es bei der letzten Wahl je fünf, Schönfeld zwei und Ilmspan eines.

Wichtig ist: jede Ortschaft hat eine feste Anzahl von Ratssitzen, ganz unabhängig davon, wie viele Menschen in der jeweiligen Ortschaft und den anderen kandidieren.

Was ist das Problem mit der unechten Teilortswahl?

Landesweit steht die unechte Teilortswahl von Anfang an in der Kritik. Denn der Wählerwille wird durch die feste Verteilung auf die Ortschaften nicht unbedingt demokratisch eingehalten. Daher hat zum Beispiel auch das Oberverwaltungsgericht in Baden-Württemberg schon in der Vergangenheit Änderungen erzwungen.

Richtig ins Rollen gekommen ist der Stein wieder mit einem Urteil gegen die Wahl 2019 in Tauberbischofsheim. Darin wurde TBB ein nicht sachgemäßer Zuschnitt der Wahlbezirke attestiert und eine Neuwahl gefordert. An der Tauber hat man anschließend die unechte Teilortswahl abgeschafft. Auch andere Kommunen im Kreis, z.B. Lauda-Königshofen, haben bereits auf sie verzichtet.

Das Problem: die unechte Teilortswahl ist sehr kompliziert. Sie führt zu ungültigen Stimmen, immer wieder zu unerwarteten und schwer zu erklärenden Ergebnisse und eben großen Rechtsunsicherheiten. Meiner Meinung nach führt sie auch tatsächlich zu ungewollten Verzerrungen des Wahlergebnis.

So konnte in diesem Jahr ein Sitz aus Gerchsheim nicht besetzt werden, weil sich schlichtweg nicht genug Kandidaten im Ort gefunden haben. In Ilmspan gab es auch nur einen Kandidaten. Die Ratsmitglieder in diesen Ortschaften standen also schon vor der Wahl fest, die Wähler hatten hier nichts zu entscheiden. Demgegenüber gab es in Großrinderfeld und Schönfeld sehr viele Kandidierende. In Großrinderfeld gab es auch zumindest eine Überraschung, als ein stimmstarker Kandidat der Liste „IMB“ nicht in den Rat einziehen konnte, was an der unechten Teilortswahl lag.

Leider sind immer weniger Menschen bereit zur ehrenamtlichen Arbeit im Gemeinderat. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt, und solche Verzerrungen eher zu Regel werden. Damit wird meiner Meinung nach die unechte Teilortswahl vor Gericht noch leichter anzugreifen. Auch ist es sachlich wenig schön, wenn der Rat nur aus diesem Grund kleiner als gewünscht sein muss. Schließlich hätten wir ja gerne Meinungsvielfalt.

Was ist das Problem mit der Abschaffung?

Gerade die kleineren Ortschaften Schönfeld und Ilmspan befürchten, dass sie nicht mehr oder nicht ausreichend repräsentiert werden. Das sagen die Ortsvorsteher, aber auch der Rat als solches nahm diese Bedenken ernst.

Sicherlich ist es so, dass die weitaus meisten Mitglieder des Gemeinderats nicht mehr nur die Ortschaft im Blick haben, in der sie wohnen. Großrinderfeld als Ganzes ist schon klein genug. Wichtig ist es meiner Meinung nach daher, die Stärken und Schwächen der Ortschaften gezielt zu nutzen.

Dennoch ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass die, die in der jeweiligen Ortschaft wohnen, zumeist auch die dortige Situation, Sorgen und Wünsche besonders gut kennen. Das spricht gegen die Abschaffung, zumindest wenn man davon ausgeht, dass dann kein Vertreter der Ortschaft mehr dem Gemeinderat anhört.

Warum war ich dann trotzdem für die Abschaffung?

Ich verstehe mich als Vertreter der Bürger aller Ortschaften. Gerade „die Kleinen“ liegen mir sehr am Herzen, ich möchte auch dort möglichst gleichwertige Lebensbedingungen sehen (was aus sachlichen Gründen nicht immer einfach ist).

Daher habe ich es mir nicht einfach gemacht mit dieser Entscheidung. Ich habe zum Beispiel die letzten vier Kommunalwahlen der Vergangenheit manuell so ausgezählt, als wäre damals schon keine unechte Teilortswahl gewesen. Das Ergebnis mag manchen überraschen: es gab Jahre, da hätte sich die Anzahl der Mitglieder des Rates pro Ortschaft gar nicht oder kaum geändert. Wichtig: Ilmspan und Schönfeld wären immer vollständig vertreten gewesen. Es gab aber auch Jahre, in denen wäre tatsächlich ein eine Ortschaft nicht vertreten gewesen.

Was dabei auffiel: immer dann, wenn die Ortschaft sich einig war, war sie auch im Rat vertreten. War das nicht der Fall, so war der die Ortschaft vertretende Kandidat von den Einwohnern womöglich gar nicht gewünscht.

Stellen Sie sich z.B. einmal vor, in diesem Jahr wäre eine links- oder rechtsextreme (oder was auch immer für Sie unakzeptabel ist) Gruppe in einer „geeigneten“ Ortschaft angetreten und nur wegen der unechten Teilortswahl in den Rat eingezogen – selbst wenn sie niemand gewählt hätte? Hätten wir das haben wollen? Ich sicher nicht, auch wenn ich natürlich mit allen demokratisch gewählten Kräften im Rat zusammenarbeiten möchte. Nur aufgrund des Wohnorts und ohne echte Wählerschaft in den Rat zu kommen, ist für mich nicht „demokratisch gewählt“.

Das spricht aus meiner Sicht für die Abschaffung. Auch die Schwierigkeit der Kandidatensuche, die sich dieses Jahr erstmalig ganz deutlich offenbart hat, spricht gegen die unechte Teilortswahl.

Das Problem der womöglich fehlenden Repräsentierung lässt sich auch meiner Sicht recht einfach lösen. Es gibt ja auch noch Ortschaftsräte! Der Ortsvorsteher kann auch an allen Ratssitzungen vollumfänglich teilnehmen. Er darf auch mitdiskutieren. Das fällt bei uns nur nicht auf, weil die Ortsvorsteher ohnehin Gemeinderäte sind. Das ist nicht überall im Kreis so. Wer beispielsweise mal auf einer Ratssitzung in Werbach war, sieht die Riege der Ortsvorsteher in der Sitzung am Ratstisch Bürgermeister und Verwaltung gegenüber sitzen.

Eines muss man allerdings zugeben: die Ortsvorsteher haben kein Stimmrecht. Sie dürfen also Anregungen einbringen, Pro und Contra von Entscheidungen kommentieren und ganz allgemein ihre Sicht kundtun. Bei der Abstimmung selbst dürfen sie aber nicht mitmachen.

Das hört sich im ersten Moment nicht so wirklich gut an. In der Realität dürfte das aber das klein ernsthaftes Problem sein. Gerade in Großrinderfeld werden Entscheidungen auf Fakten basierend sachlich getroffen. Das ist auch der Grund, warum wir so oft einstimmig oder mit großer Mehrheit abstimmen: in der Diskussion hat sich bereits gezeigt, wer die besseren Argumente hat, und welche Lösung die vermutlich beste für die Gemeinde ist. Wirkliche Kampfabstimmungen erleben wir bei uns sehr, sehr selten. Das ist gut, denn es bringt uns sachlich weiter.

Genau aus diesem Grund ist bei uns die beratende Stimme diejenige, die das weitaus größte Gewicht hat. Und dabei sind die Ortsvorsteher komplett mit im Boot und können so die Sichtweise der jeweiligen Ortschaft mit einbringen. Das ist für mich ein ganz starkes Argument dafür, dass die Abschaffung der unechte Teilortswahl unsere Entscheidungen nicht zum Nachteil irgendeiner Ortschaft verändern wird.

Um gerade den kleinen Ortschaften auch direkte Ratsmandate möglichst einfach zu machen, habe ich mich stark dafür gemacht, dass der neue Rat 14 Mitglieder haben soll. Das ist die vom Gesetz vorgesehene Standardgröße für eine Gemeinde unserer Größenordnung. In meinen Modellrechnungen war dann auch immer jede Ortschaft vertreten. Per Gesetz könnten wir den Rat auch mit nur 12 Sitzen versehen. Das halte ich aber für nicht sinnvoll, und es steht auch nicht zur Diskussion. Die Mehrzahl der anderen Gemeinderäte, so denke ich, stimmt mir hierin auch zu.

Last but not Least ist es 50 Jahre nach der kommunalen Gebietsreform sicher auch an der Zeit, uns untereinander Vertrauen zu schenken. Die Ratsmitglieder haben schon das große Ganze im Blick, unabhängig vom eigenen Wohnort. Obendrein haben die Bürger vor Ort es ja in der Hand, wen sie wählen. Da darf dann gerne auch einmal das Kreuzchen bei denen gemacht werden, die sich nach eigener Ansicht des Wählers besonders für die Gemeinschaft als Ganzes verdient gemacht haben.

Wahl 2029 – ohne unechte Teilortswahl

Der Rat hat sich bei zwei Gegenstimmen für die Abschaffung ausgesprochen. Nun werden noch die notwendigen Formalien auf den Weg gebracht. Im Jahr 2029 wird dann nach neuem, einfacheren Wahlverfahren gewählt werden.

Ich persönlich halte das für einen guten Kompromiss. Die Entscheidung macht uns vor allem auch zukunftssicher, selbst falls sich demnächst noch weniger Kandidierende finden. Und mit ein bisschen Glück wird in 2029 dann auch die Quote der ungültigen Stimmen deutlich zurückgehen.