Seit 2020 suchen wieder viel mehr Menschen in Deutschland Zuflucht. Auch im Main-Tauber Kreis macht sich das stark bemerkbar. Doch wie sind die Zahlen wirklich? Wie könnte es im neuen Jahr weiter gehen?

Anzahl der Menschen, die in die vorläufige Unterbringung im Main-Tauber Kreis zugewiesen wurden. Das Jahr 2023 ist noch unvollständig, der Dezember fehlt noch. (Daten: Main-Tauber Kreis, Grafik: Rainer Gerhards)

Zuweisungen des Landes

Ich habe die Daten beim Main-Tauber Kreis erfragt. In der obigen Grafik sieht man die Anzahl der Geflüchteten die der Kreis aufgenommen hat. Sie wurden von Baden-Württemberg aus der Erstaufnahme des Landes in die vorläufige Unterbringung im Landkreis zur Aufnahme in die Gemeinschaftsunterkünfte zugewiesen.

Sehr gut sieht man die erste Flüchtlingswelle 2015/2016. Zur Erinnerung: aufgrund der hohen Zahlen und der daraus folgenden politischen Situation wurde in 2015 das EU – Türkei Abkommen verhandelt, das im wesentlichen eine Begrenzung der Flüchtlingsströme durch die Türkei vorsah. Die EU versprach dafür Gegenleistungen und insbesondere Zahlungen an die Türkei. Daraufhin gingen die Flüchtlingszahlen stark zurück, was sich auch im Kreis bemerkbar machte.

Im Jahr 2020 kam es dann zu Problemen zwischen EU und Türkei. Das Abkommen endete faktisch. Ab dem Jahr 2021 machte sich das dann auch an den Zuweisungen bemerkbar. In 2022 kam dann der russische Überfall auf die Ukraine. Vor Kurzem, in 2023 , begann der neue Palästina Konflikt, ausgelöst durch den Terror-Überfall der Hamas auf Israel. Dieser Konflikt dürfte auf die 2023er Zahlen jedoch noch keine große Auswirkung haben.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine

Geflüchtente aus der Ukraine fehlen weitgehend im obigen Diagramm. Denn, so Markus Moll, Pressesprecher des Main-Tauber Kreises, „die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die als sogenannte Flächenfälle in den Landkreis gekommen sind, haben zunächst überwiegend über Bekannte, Verwandte oder bürgerschaftlich Engagierte eine private Wohnung gefunden.“ Sie gelangten großteils also nicht in die vorläufige Unterbringung und gingen daher in die obige Statistik auch nicht ein.

Laut Moll sind „zum Stand 1. Dezember 2023 mehr als 2.150 Personen aus der Ukraine im Landkreis registriert“. Davon seien aber nur 517 Personen über die Landeserstaufnahme an den Main-Tauber Kreis zugewiesen wurden. Der größte Teil von ihnen sei mittlerweile im Kreis umgezogen, sei es durch eigenständige Wohnungssuche oder die Anschlußunterbringung in den kreisangehörigen Kommunen.

Gesamtzahl und Vergleich mit 2015/16

Nimmt man alle Zahlen zusammen, so wurden in 2022/23 bis zum ersten Dezember insgesamt über 3.120 Geflüchtete im Main-Tauber Kreis aufgenommen. In der ersten Flüchtlingskrise waren es „nur“ etwas über 1.650 Menschen. Die Zahlen haben sich also fast verdoppelt.

Im Main-Tauber Kreis aufgenommene Geflüchtete in den bisherigen „Spitzenjahren“ 2015/16 und 2022/23 im Vergleich. (Daten: Main-Tauber Kreis, Grafik: Rainer Gerhards)

Ein Ausblick

In einem sehr lesenswerten Interview in den Fränkischen Nachrichten sprach Landrat Schauder davon, das im Schnitt von August bis Ende November (Zeitpunkt des Interviews) im Schnitt run 100 Personen im Kreis neu hinzu kommen. Nimmt man dies als Basis, so könnten bis Ende des Jahres um die 950 Geflüchtete dem Main-Tauber Kreis zugewiesen worden sein.

Im gleichen Interview sprach Schauder allerdings davon, dass 900 Menschen bis Ende des Jahres erwartet würden, Er erwähnte weiter, dass im Kreis 935 Aufnahmeplätze gäbe. Es sei „an der einen anderen Stelle eine Nachverdichtung möglich„. Wie der Landrat bemerkte, und die Zahlen es zeigen, ist allein schon die Aufnahmekapazität sehr knapp.

Pressesprecher Moll wies in seiner Antwort an mich darauf hin, dass nicht nur Wohnraum benötigt werde, sondern auch Schul- und Kita-Plätze, Sprachkurse und anderes. Die Ressourcen des Kreises sind also in der Tat an der Grenze der Belastbarkeit.

Zurück zu den Zahlen: wie die Werte sich in 2024 entwickeln werden, ist natürlich nicht vorhersehbar. Vieles spricht aber dafür, dass der Zuzug von Geflüchteten in den Landkreis nicht abebben wird. Im Hinblick auf den Winter und die russischen Zerstörungen in der Ukraine erscheint hier eine Steigerung nicht unmöglich. Erfahrungsgemäß steigt auch die Zahl von aus Afrika flüchtenden Menschen im Sommerhalbjahr wieder an. Wie sich der Krieg in Israel auf die Flüchtlingszahlen auswirkt ist auch noch unsicher. Gänzlich unsicher ist es auch, ob Seitens der Bundesregierung zielbringende Maßnahmen zur Steuerung der Migration erfolgreich ergriffen werden können.

Es bleibt also spannend.

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Ich werde die Situation im Auge behalten und auch künftig darüber berichten. Alle Nachrichten finden Sie hier im Themenarchiv. Aktuell in der Planung ist auch ein Artikel darüber, wie sich die Zahlen in Baden-Württemberg entwickelt haben. Und wie sehr sich der Main-Tauber Kreis an der Lösung dieser gemeinschaftlichen Aufgabe beteiligt.