Stärker, tiefer, härter: der „Mega-Lockdown“ ist in aller Munde. Am kommenden Dienstag soll zwischen Bund und Ländern darüber entschieden werden. Ein wichtiger Grund seien die Corona-Mutationen, besonders die aus England und Südafrika. Bleibt die Frage: sind die wirklich so gefährlich? Der Versuch einer einfachen aber korrekten Erklärung.

Coronavirus SARS-CoV-2
Coronavirus SARS-CoV-2 macht, was Viren gerne so machen: mutieren. Mit den neuen Versionen sollen neue Probleme entstehen. (Foto: CDC)

Leider ist die Sache nicht ganz so einfach. Daher müssen wir uns ein paar Dinge ansehen.

Was wissen wir? Was nicht?

Solide Untersuchungen benötigen Zeit. Daher bräuchte man noch einige Monate, um wirklich sicher zu wissen, wie sich die neuen Varianten auswirken. Zu Vielem gibt es aber Voruntersuchungen und zunehmend sicherere Vermutungen.

  • recht unklar ist, wie weit die neuen Varianten bereits in Deutschland verbreitet sind – hier ist aber schon in den nächsten beiden Wochen mit deutlich sichereren Aussage zu rechnen
  • recht unsicher ist, ob Kinder stärker betroffen sind
  • relativ sicher geht man davon aus, dass die Corona-Mutationen keine schwereren Erkrankungen verursachen
  • ziemlich sicher ist, dass die Impfungen gegen die aktuellen Mutationen weiter schützen
  • zunehmend sicher geht man davon aus, dass die neuen Varianten ansteckender sind (sagt z.B. auch das RKI); wie viel stärker ansteckend sie tatsächlich sind, ist aber unklar

Wo ist also das Problem?

Das klingt auf den ersten Blick relativ harmlos. Keine schwereren Erkrankungen, Impfung hilft und, na ja, ein bisschen ansteckender. Tatsächlich ist es aber die stärkere Ansteckung das eigentliche Problem. Vereinfacht gesagt hat eine kleine Änderung der Ansteckbarkeit große Auswirkungen auf die Neuinfektionen haben.

Je ansteckender das Coronavirus ist, desto besser müssen Schutzmassnahmen gegen die Ansteckung sein. Daher wird auch so dringlich über FFP2 anstelle von Alltagsmasken z.B. im ÖPNV gesprochen.

Selbst dann, so kann man vermuten, würde es mehr Neuinfektionen geben. Das führt dann letztlich auch zu einer stärkeren Belegung der Krankenhäuser. Stimmt die Vermutung, dass englische Mutante sehr viel stärker ansteckend ist, dann wäre eine Überlastung des Gesundheitssystems in kürzester Zeit möglich. Und zwar innerhalb weniger Wochen. Da würde auch Impfen mit dem aktuell wenigen Impfstoff nicht helfen.

Aber: ob die Varianten so viel ansteckender sind ist nicht sicher geklärt. Man weiß es aktuell nicht. Und man kann es auch beim besten Willen nicht sicher feststellen. Dazu müssen wir die Mutationen noch einige Zeit beobachten.

Das Dilemma

Das bringt uns zum Kern das Problems:

Ändern wir nichts, und das Virus ist tatsächlich so ansteckend, wie viele befürchten, dann würde uns das in eine fürchterliche Lage bringen. Und viel menschliches Leid verursachen. Aber auch die Wirtschaft zum Zusammenbruch bringen.

Werden aber die Maßnahmen stark verschärft und das Virus ist nicht so viel stärker ansteckend (was auch viele vermuten!), dann verschlechtern wir die Lage ebenfalls deutlich. Vielleicht nicht ganz so schlimm wie im ersten Fall, aber auch sehr deutlich.

In dieser Situation kann man es fast nur falsch machen. Die Politiker werden am kommenden Dienstag nicht umhin kommen, sich für die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Allerdings: ein „so ein bisschen dazwischen“ wäre vermutlich in jedem Fall fatal: die Kollateralschäden wären trotzdem schlimm, wenn die Varianten harmloser als von manchen gedacht sein sollten. Und wären sie tatsächlich so schlimm, dann würde „das bisschen dazwischen“ nicht reichen um die Schäden aufzuhalten.

Ist ein „Mega-Lockdown“ also unausweichlich?

Das ist seriös und mit den mit vorliegenden Fakten sehr schwer zu sagen. Allerdings kann man festhalten, dass die bisherige „Lockdown-Serie“ einige bekannte Probleme hat:

  • die Maßnahmen sind uneinheitlich (warum nicht bei gleichen Infektionslagen bundesweit gleich handeln?)
  • sie sind tatsächlich oft widersprüchlich, insbesondere auch zwischen den Bundesländern
  • sie werden schlecht erklärt und sind teilweise auch sehr schlecht erklärbar (z.B. gibt es für den „Fakt“, dass Kinder bis 14 nicht ansteckend sind keinerlei wissenschaftliche Belege – bis zur Pubertät allerdings schon)
  • ihre Einhaltung wird mäßig bis gar nicht überwacht
  • Verstöße werden kaum geahndet

Kurz zusammengefasst ist die Wirksamkeit von Maßnahmen, deren Einhaltung weder überwacht noch sanktioniert werden und die noch dazu schwer zu verstehen sind wohl eher fragwürdig. Das Ergebnis erlebt man im Alltagsleben.

Um einen „Mega-Lockdown“ erfolgreich werden zu lassen, müsste man vermutlich auch und gerade an diesem Problem ansetzen. Kommen wirklich sehr harte weitere Maßnahmen, dann ist der Aufbau von Verständnis sehr wichtig. Das hier geschilderte Dilemma sollte den Menschen dann aber klar sein. Vielleicht gibt es dann, wie im Frühjahr, auch wieder mehr Einhaltung der Maßnahmen.

Weitere Informationen rund um Covid-19 (Corona, SARS-CoV-2), auch im Main-Tauber Kreis, gibt es auf der Übersichtsseite zu Coronavirus in Großrinderfeld und Main-Tauber Kreis.
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