Vorneweg: ich bin zwar Gemeinderat, aber kein Mitglied des Ortschaftsrat Großrinderfeld. Daher steht es mir frei an den Sitzungen teilzunehmen – oder eben auch nicht. Davon mache ich aktuell Gebrauch, da ich die Art und Weise, wie Ortschaftsratssitzungen in der aktuellen Corona-Krise einberufen und durchgeführt werden nicht einverstanden bin.

Wäre der Ortschaftsrat ein Verein, so wären die Sitzungen gar nicht möglich. Erst recht nicht in der aktuell wirklich kritischen Lage, die uns bekanntermaßen mittlerweile zu Ausgangssperren gebracht haben und vermutlich in der nächsten Woche einem harten Lockdown. In dieser Situation nun tagt der Ortschaftsrat. Das darf ausnahmsweise, er nutzt eine Ausnahmeregelung in der Corona-Verordnung des Landes, nämlich die für „Veranstaltungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ nach §10 (4) der CoronaVO BW. Die ist dafür gedacht, wirklich dringliche Dinge weiter zu ermöglichen und das öffentliche Leben am laufen zu halten. Deswegen empfiehlt das Innenministerium auch,

  • die Sitzungszeiten so weit wie möglich zu beschränken
  • die Teilnehmerzahlen so weit wie möglich zu beschränken
  • die Tagesordnung kurz wie möglich zu halten
  • einfache Dinge im Umlaufverfahren zu beschließen
  • und notfalls auf virtuelle Sitzungen auszuweichen

Schauen wir uns nun die Tagesordnung der kommenden Ortschaftsratssitzung an:

  1. Mitfahrerbänkle – an sich sicher keine schlechte Idee, dank Corona aber wohl kaum vor 2022 wirklich realisierbar
  2. Info Kindergarten Großrinderfeld- Aufstellung von Containern – kann man in der FN und Mainpost nachlesen, wurde schon im Gemeindrat behandelt, kann man auch online machen
  3. Info 3. Änderung Bebauungsplan Beunthgärten – wie 2.
  4. Haushaltsplan 2021 – darüber zu sprechen ist sicher wichtig, würde aber auch im Januar noch gehen; rechtfertigt aber durchaus eine Sitzung, vielleicht so gar als einer von wenigen TOP
  5. Baugesuche – dürfte kaum dringlich sein, da die nächste Gemeinderatssitzung ohnehin erst Ende Januar ist; kann man auch problemlos im Umlaufverfahren machen (wurde dieses Jahr auch schon so gemacht)
  6. Anliegen der Bürger – darauf kann und sollte man aufgrund des Kontakbeschränkungen verzichten; sicher könnte der Ortsvorsteher bei Fragen auch per Mail oder Telefon Auskunft erteilen
  7. Termine, Bekanntgaben, allgemeine Punkte – das geht ganz sicher schriftlich
  8. Anliegen der Ortschafts- und Gemeinderäte – könnte man vorher schriftlich abfragen; in Anbetracht der Weihnachtspause liegt meiner Vermutung nach sicherlich nichts Dringliches an

Zu den nicht-öffentlichen Punkten darf ich nichts sagen, aber doch so viel: aktuell wirklich dringlich sind sie meiner Meinung nach nicht. Sie könnten entweder problemlos später nachgeholt werden oder sind aufgrund der Corona-Lage ohnehin nicht wirklich diskutabel.

Warum also trifft man sich in also in einer Zeit, in der die Bundeskanzlerin die Bevölkerung anfleht, Kontakte zu vermeiden und nur wirklich die allernötigsten Kontakte zu haben? In der auch Ministerpräsident Kretschmann ins selbe Horn stößt. Er appellierte erst gestern in der Pressekonferenz die Bevölkerung solle „nicht Lücken in den Regelungen suchen“, sondern versuchen, diese zu schließen.

Genau dieses „Lücken suchen“, vielleicht nicht wissentlich, dieses „wir machen weiter so wie immer“, das kritisiere ich an den aktuellen Ortschaftsratssitzungen. Es ist meiner Meinung nach zutiefst unsolidarisch, und das gleich zweifach:

  • unsolidarisch gegenüber Vereinen und allen anderen gegenüber, die wirklich wichtige Veranstaltungen wie Hauptversammlungen nicht durchführen können
  • unsolidarisch der gesamten Gesellschaft gegenüber, denn es setzt ein klares Signal „Corona ist nicht so schlimm, wir beschränken uns nicht“ – genau diese Einstellung treibt die Infektionen und ist für viele Todesfälle verantwortlich

Dabei beziehe ich mich ausdrücklich nicht nur auf die für Montag geplante Sitzung. Ich bin bereits seit Anfang November nicht mehr gekommen und habe auch mehrfach meine Position zum Thema deutlich gemacht. Leider ist kein Einlenken zu erkennen.

Das Problem ist auch strukturell:

  • wichtige Hygienemassnahmen wie Lüften werden nicht konsequent beachtet und meines Empfindens nach eher als störendes Beiwerk betrachtet
  • die Empfehlungen des Innenministeriums werden komplett ignoriert
  • Diskussionen sind lang und ausschweifend anstelle der aktuell gebotenen Kürze (siehe z.B. auch Bericht in der FN zur Kreistagssitzung)
  • Zu den Tagesordnungspunkten gibt es keine Sitzungsvorlagen; man kann sich somit nicht ordentlich vorbereiten und erfährt erst in der Sitzung, worum es im Detail geht. Auch das führt zu unnötig langen Diskussionen
  • Der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ hat etwas Magisches: hier tauchen oft ungeahnte neue Themen auf; Themen übrigens, über die kein Bürger bescheid weiß, weil deren Behandlung natürlich in der Einladung nicht ersichtlich war

Man hat den Eindruck, die Pandemie macht einen Bogen um den Sitzungsraum. Ich sehe es auch aktuell als sehr kritisch an, dass die Besucher, und deren (erweiterte) Familien sich einem entsprechenden Infektionsrisiko aussetzen. Ernsthafte Maßnahmen, dem entgegen zu wirken, verspürt man nicht.

Mal ein Gegenbeispiel: die letzte Gemeinderatssitzung vom 10.12. war aufgrund der großen zu erwartenden Besucheranzahl durchaus kritisch. Daher haben sich verschiedenstes Leute stundenlang im Vorfeld Gedanken dazu gemacht, wie man sie absichern kann. Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben wir z.B. and drei Stellen in der Sitzung die Luftqualität überwacht, und durch entsprechend zielgerichtet Lüftung das Risiko in einem akzeptablem Korridor gehalten. Ausserdem haben wir Zutrittskontrollen durchgeführt, wären bereit gewesen, das Personenlimit von 75 Personen für die Halle hart durchzusetzen, haben Maskenpflicht erlassen und die Risikogruppen mit FFP2 Masken versorgt. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass es dennoch zu Infektionen gekommen wäre, haben wir auch Besucher-Datenerfassung durchgeführt.

Nun ist einer Ortschaftsratssitzung mit vielleicht gut 10 Menschen sicherlich unkritischer. Wer aber meint, davon gehe kein Risiko aus, der hat eben genau die Gefährdungssituation immer noch nicht verstanden. Übrigens: die gleiche Problematik gab es schon im November, und ehrlich gesagt auch im Oktober, sonst hätte es wohl kaum einen Lockdown Light gegeben. Genau dieses „ach, uns kann nichts passieren“, genau das ist ein steter Quell von Infektionen.

Nun gibt es die Vorstellung, dass mit FFP2-Masken alles gut ist, und Dank Impfung im Januar dann ohnehin wieder alles normal. Auch das ist falsch, und trägt zur weiteren Ausbreitung der Pandemie bei.

Gute FFP2-Masken reduzieren natürlich das Risiko sehr deutlich. Ihr Einsatz ist daher dringend zu befürworten. Das sage ich übrigens seit Mai. Aber sie machen niemanden immun. Zum Einen dringt halt immer noch eine gewisse, wenn auch sehr kleine, Menge Viren durch durch die Filter. Zum anderen kann eine Maske, ohne dass man es erkennen kann, auch defekt sein (oder sogar minderwertig). Und dann gilt: egal, wie klein das Restrisiko ist, es kann immer jemand treffen. Es gibt auch jedes Jahre viele große Lotto-Gewinner, obwohl die Chance hier extrem minimal ist.

Was die Impfung angeht: Optimisten gehen davon aus, dass ab dem dritten Quartal mit der Impfung der allgemeinen Bevölkerung begonnen werden kann. Deswegen sagt Gesundheitsminister Spahn auch, der „nächste Winter wird einfacher“ und nicht „der nächste Winter wird normal“. Man beachte den Unterschied. Auch deswegen muss man übrigens damit Planen, dass auch 2021 nicht normal sein wird. Jetzt schon. Und nicht auf irgendwelche Luftschlösser vertrauen.

Ich könnte noch viel schreiben, aber ich denke, das reicht zur Begründung allemal.

Um es klar zu sagen: der Ortschaftsrat wankt ohne Idee und Ziel durch die Pandemie, gibt mit seinem Verhalten ein extrem schlechtes Vorbild ab und verhält sich unsolidarisch mit Vereinen, Gewerbetreibenden, Eltern, Schülern, Senioren und überhaupt allen Menschen, die sich starken Einschränkungen untewerfen müssen.

Das ist aus meiner Sicht extrem kontraproduktiv. Für mich ist das mittlerweile unerträglich, und daher will und kann ich da nicht mehr mitmachen. Ich persönlich würde mir wünschen, dass der Ortschaftsrat dies nun endlich erkennt und angemessen reagiert. Die Zeit zum Diskutieren ist vorbei, nun muss gehandelt werden. Nach dem Amtseid soll man ja Schaden von der Ortschaft/Gemeinde abhalten.