Das „Großrinderfelder Modell“ für die Nutzung erneuerbarer Energien – Kurzbeschreibung

Sie lesen hier eine Kurzbeschreibung des „Großrinderfelder Modell“ für in der Kommunalpolitik Tätige und Verwaltungen. Eine detailliertere Version, gerichtet an die Bevölkerung, finden Sie im faktenbasierenden Meinungsbeitrag über die konkrete Implementierung des „Großrinderfelder Modells“ in Großrinderfeld selbst.

Zielsetzung des „Großrinderfelder Modell“

Das „Großrinderfelder Modell“ ist ein Ansatz, um die Akzeptanz erneuerbarer Energien im kommunalen Umfeld, vor allem im ländlichen Raum, zu fördern und die Voraussetzung für den Erhalt der Planungshoheit über Flächen für Windenergieanlagen (WEA) und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FFPV) zu schaffen. Es beachtet insbesondere die Auswirkungen des sog. „Wind-An-Land“ Gesetzes vom 1. Februar 2023 sowie des Klimaschutzgesetzes in Baden-Württemberg.

Durch erhöhte Akzeptanz lassen sich über die Chance auf den Erhalt der Planungshoheit die Ausbauziele schneller erreichen, da die Wahrscheinlichkeit von langen Verfahren durch z.B. Klagen sinkt. Der unter Klimaschutzaspekten wichtige rasche Zubau von erneuerbarer Energieerzeugung wird damit wahrscheinlicher (in der Praxis sind hier allerdings auch Fragen des -unzureichenden- Netzausbaus und der Materialverfügbarkeit zu beachten).

Man beachte: um die Planungshoheit letztlich zu erhalten, ist die Erreichung des Flächenziels innerhalb des Regionalverbandes notwendig. Anstrengungen aller Kommunen der Region sind daher erforderlich. Das „Großrinderfelder Modell“ wirkt als Ideengeber, bietet einen anpassbaren Handlungsentwurf und erleichtert anderen Kommunen die Umsetzung der Flächenziele.

Ausgangslage

Die Gemeinde Großrinderfeld mit 4.100 Einwohnern liegt im ländlich geprägten Raum im Norden von Baden-Württemberg zwischen Tauberbischofsheim und Würzburg an einer Landesentwicklungsachse. Sie gehört dem Main-Tauber Kreis an. Im Kreis ist ein erheblicher Anteil der Baden-Württembergischen WEA errichtet worden. Windkraft ist in Kreis und Gemeinde umstritten. In der Gemeinde gibt es außerdem seitens der Landwirtschaft Bedenken bzgl. des Verlusts von landwirtschaftlicher Produktionsfläche, insb. durch FFPV. Das Gemarkungsgebiet beinhaltet außerdem einen Teil der SüdLink-Trasse, die ca. 30 ha landwirtschaftliche Fläche betrifft.

Kernaspekte des „Großrinderfelder Modell“

Das „Großrinderfelder Modell“ fördert Akzeptanz in der Bürgerschaft durch gute Kommunikation, möglichst geringe Beeinträchtigungen der Bevölkerung durch die Anlagen und finanziellen Nutzen für Privathaushalte sowie ortsansässige Gewerbetreibende. Konkret wird dies durch die nachfolgenden Kernaspekte bzw. Vorgehensweisen erreicht.

  • Die Gesetzeslage wird ausführlich dargestellt. Sie begründet die aus kommunaler Sicht unausweichliche Notwendigkeit zur Ausweisung der Flächen. Insbesondere werden die fehlenden kommunalen Einflussmöglichkeiten erläutert.
  • Es wird anerkannt, dass zumindest Teile der Bevölkerung die Errichtung von WEA und FFPV als Belastung betrachten. Hierdurch wird die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis gelegt.
  • Es werden eigene Standortkriterien gewählt, die Belastungen möglichst gering halten. Die Standorte müssen wirtschaftlich sein. Optimiert wird aber nicht allein der wirtschaftlichen Gewinn, sondern die Kombination aus a) wirtschaftlichem Gewinn und b) Akzeptanzgewinn.
  • Für die Bürgerschaft, inkl. Gewerbebetriebe, ergibt sich ein klar erkennbarer Nutzen durch Schaffung von
    • einem vergünstigter „Bürgerstromtarif“, i.d.R. in Form eines eigenen Bilanzkreises, realisiert „traditionell“ über ein dafür geeignetes EVU. Gegenüber einer Realisierung nach dem EU Modell der „Renewable Energy Community“ hat das traditionelle Modell den Vorteil einer sofortigen Verfügbarkeit (Problemkreis: Umsetzung in dt. Recht) und ist in der Praxis bewährt. Für die Akzeptanz ist es wichtig, dass der Bürgerstromtarif früh und problemlos verfügbar ist.
    • Beteiligungsmöglichkeiten, sowohl für Kleinanlegende als auch finanzkräftigere Akteure. Diese Beteiligungsmöglichkeiten sind prioritär zunächst der Bürgerschaft zugänglich zu machen (zumindest, sofern Sie konkrete Anlagen auf der Gemarkung betreffen).
    • Generierung von Einnahmen für die Gemeinde. Diese kommen der Allgemeinheit zu Gute in Form von dauerhaft stabileren Steuern, Gebühren und Möglichkeiten zu freiwilligen Aufgaben. Dieser Vorteil ist für die Bürgerschaft nicht unbedingt offensichtlich und muss daher gezielt kommuniziert werden.
  • Nach Möglichkeit werden alle WEA und FFPV auf gemeindlichen Flächen errichtet. Nur wenn dies nicht möglich ist, werden private Flächen mit eingebunden. Möglichst sollte die Gemeinde auch über diese Flächen eine Verfügungshoheit bekommen (keine private Eigenvermarktung). Dies kann beispielsweise mit einem Kauf- oder Profit-Sharing Modell realisiert werden. Die Gemeinde Großrinderfeld verfügt über hinreichend Flächen, daher wurde kein Konzept für alternative Flächen erarbeitet. Gemeindliche Flächen bzw. ein Profit-Sharing Modell bieten auch für Landbesitzende Vorteile:
    • die Problematik der Einspeisepunkte lässt sich im größeren Verbund einfacher und kostengünstiger lösen
    • unnötige Diskussionen und Anfeindungen in der Dorfgemeinschaft werden vermeiden
  • Es wird ein Unternehmensverbund zur Nutzung der erneuerbaren Energien gegründet, in dem die Gemeinde dauerhaft Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf Ausbau und Betrieb erhält. Hierdurch wird auch die oft geforderte demokratische Kontrolle gewährleistet, und zwar über den Gemeinderat sowie die regelmäßige Bürgermeisterwahl.
  • Alle unmittelbar beteiligten Unternehmen haben ihren Sitz in der jeweiligen Gemeinde, so dass auch die Gewerbesteuereinnahmen an die Gemeinde fallen. Das maximiert den Nutzen für die Bevölkerung und ist oft auch für die Projektpartner im Hinblick auf Hebesätze interessant.
  • Offene Kommunikation, transparente Verfahren, Beteiligung der Bevölkerung. Akzeptanz entsteht, wenn man sich gut informiert und ernst genommen fühlt. Daher wird das Gespräch mit der Bevölkerung „auf Augenhöhe“ geführt. Auch Unwägbarkeiten und kritische Aspekte werden behandelt.
    • In einer nicht-öffentlichen Vorphase wird der Gemeinderat umfassend eingebunden. Ziel dieser Phase ist der Abschluss der grundlegenden Verträge des Unternehmensverbundes und damit die Sicherstellung der tatsächlichen Realisierbarkeit des Projekts (unbeachtet der späteren Genehmigungsfähigkeit der Anlagen). Wichtig: die Gemeinde muss zu diesem Zeitpunkt noch Rückzugsmöglichkeiten besitzen, um auch tatsächlich das Gespräch mit der Bevölkerung mit allen Optionen suchen zu können.
    • Öffentliche Vorstellung des Projekts im Rahmen der Pressearbeit, begleitet von umfassenden Informationsveranstaltungen. Auf den Veranstaltungen muss genügend Zeit für ernsthafte Diskussionen zur Verfügung stehen. Auch die Mitglieder des Gemeinderats sollten Gespräche außerhalb der Info-Veranstaltungen führen.
    • Setzung realistischer Erwartungen für den Zeitraum bis zur Verfügbarkeit des Bürgerstrommodells und des Anlagenausbaus. Aufgrund Genehmigungszeiträumen und Materialverfügbarkeit sind diese Fristen aktuell länger, als von vielen Menschen vermutet wird.
    • Kontinuierliche Information und Kommunikation während aller weiteren Verfahrensschritte. Insbesondere erforderlich, nachdem die Ergebnisse der Standortsuche erarbeitet wurden und bevor Bauanträge für WEA/FFPV eingereicht werden. Gleiches kann dringend erforderlich werden, sollten sich wesentliche Änderungen der Rahmenbedingungen auf Bundes- oder Landesebene ergeben.
    • Es sollte darauf geachtet werden, dass das Projekt dauerhaft „in den Köpfen bleibt“. Gerät das Projekt, und seine Begründung, aus dem Fokus, ist anschließend wichtige Aufbauarbeit erneut zu leisten. Das kann durch regelmäßige Information über den Fortschritt, gerade in Phasen, wo dieser nicht offensichtlich ist, vermieden bzw. reduziert werden.

Ein wichtiger Gedanken zum Schluss: Die Konzeption dient natürlich wesentlich dazu, die Energiewende zu ermöglichen und wichtige Klimaziele einzuhalten. Das „Großrindfelder Modell“ ist aber ganz unabhängig von der Klimakrise die beste Lösung für die Bevölkerung, um einen verträglichen und nutzbringenden Ausbau von WEA und FFPV zu ermöglichen. Stellt man dies heraus, erübrigen sich viele langwierige und meist fruchtlose Diskussion über Sinn und Unsinn der Energiewende oder die Frage, ob es tatsächlich einen mensch-gemachten Klimawandel gibt. Diese Fragen sind auf der kommunalen Ebene ohnehin nicht zu beantworten. Diskussionen hierüber lenken daher vom eigentlich Wichtigen nur ab. Man konzentriere sich daher auf das, was auch in kommunaler Verantwortung liegt und kommuniziere das geeignet.

Projektpartner

Das „Großrinderfelder Modell“ wurde auf Initiative der Gemeinde Großrinderfeld von folgenden Projektpartnern entwickelt:

In Großrinderfeld übernehmen diese Partner auch die Implementierung des „Großrinderfelder Modells“ im Unternehmensverbund „Energie Großrinderfeld„.

Eine Chronologie über das Projekt „Energie Großrinderfeld“ und sein Fortschreiten finden sich unter anderem auf der privaten Webseite von Gemeinderat Rainer Gerhards.

Autor: Rainer Gerhards, Version 1 vom 2023-05-11.
Änderungen vorbehalten.