Das Thema „Industriestrompreis“ ist in aller Munde. Ich möchte daher auch meine Meinung dazu kundtun. Es ist zwar kein lokalpolitisches Thema, trotzdem sollte man die Standpunkte „seiner“ Gemeinderäte kennen. Kurz gesagt: ich bin dagegen.

Ein noch höher subventionierter Strompreis speziell für die Großindustrie? Ist das sinnvoll? (Symbolbild: Peter H / Pixabay)

Teile der Ampel wünschen einen noch weiter subventionierten Strompreis für „energieintensive Betriebe im Internationalen Wettbewerb“. Von einer Größenordnung von sechs bis sieben Cent ist die Rede. Begründet wird das mit der Notwendigkeit, diese energieintensiven Unternehmen in Deutschland zu halten. Daran hänge zum Teil die Versorgungssicherheit, und außerdem viele Arbeitsplätze – auch bei Zulieferern etc. Gewünscht wird der „Sonderrabatt“ aktuell von Grünen und der SPD-Fraktion. Kanzler und FDP sind eher dagegen. Viele Gewerkschaften befürworten die Idee.

Die Begründung, insbesondere die Sicherung der Unabhängigkeit, erscheint mit durchaus sinnvoll. Allerdings gibt es meiner Meinung nach auch eine große Zahl von Nachteilen. Und die wiegen für mich noch schwerer. Übrigens muss man wissen, dass die energieintensive Industrie bereits heute einen verbilligten Strompreis erhält: so muss sie beispielsweise nur eine reduzierte EEG-Umlage zahlen.

Nachteile (aus meiner Sicht)

  • Die Subvention kommt vom Bund – das heißt also, wir alle zahlen für den subventionierten Strompreis: sowohl Privatpersonen, als auch kleine, mittlere und große Unternehmen die nicht zum erlesenen Kreis der knapp 2.500 geplanten Subventionsbezieher zählen.
  • Die anderen Unternehmen stehen oft im Wettberwerb mit den möglichen Beziehern des Industriestrompreises: während sie den vollen Strompreis zahlen, müssen sie noch dazu den Mittberwerber finanzieren. Marktwirtschaftlich sehr wenig sinnvoll.
  • Viele dieser Unternehmen werden Preise eher erhöhen müssen – was die Inflation weiter anheizt. Auch und gerade im Lebensmittelbereich gibt es viele energieintensive kleine Betriebe. Paradebeispiel sind Bäckereien.
  • Bei den aktuellen Planungen zu Ausbau der Erneuerbaren Energien und Netzausbau und den darauf beruhenden Erwartung des künftigen Strompreises wird der Industriestrompreis vermutlich eine Dauersubvention werden! Und nicht nur für ein paar Jahre. Das gibt schon gar keinen Sinn.
  • Im Privatbereich ist es meiner Meinung nach extrem negativ, wenn ein Industriestrompreis kommt, dafür aber das bereits versprochene Klimageld (also die Entlastung für die CO2-Bepreisung) nicht. Und genau das ist gerade im Gespräch. Ein solcher Wortbruch würde sicherlich besonders „sauer aufstoßen“ – zu Recht.
  • Der Strompreis ist auch und gerade für normale Bürger mittlerweile ein echtes Problem.
  • Es würde den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise ein echter Bärendienst erweisen. Wer würde sich ernsthaft an Wärmewende, Verkehrswende und Energiewende beteiligen wollen, wenn der Strompreis dauerhaft hoch ist? Die Akzeptanz dafür ist durch das Drama mit dem „Heizungsgesetz“ eh schon auf dem Tiefstpunkt. Und auch Elektroautos rechnen sich bei unseren Stromkosten deutlich schlechter.
  • Dazu kommt: ein verbilligter Industriestrompreis führt nach allen Regeln der Marktwirtschaft nicht dazu, dass sich die bevorteilte Industrie sehr stark beim Sparen engagiert. Es ist daher zu vermuten, dass Strom weiter relativ knapp bleibt und damit vermutlich eher teurer als billiger wird.

Das sind die aus meiner Sicht wichtigsten Nachteile. Bei genauerem Nachdenken würden sich bestimmt noch ein paar zusätzliche finden.

Was ist die Lösung?

Die ist zugegebenermaßen schwierig. Ein Gemeinderat hat sicherlich auch nicht den Überblick über die Situation im Bund. Nachdenken darf man aber trotzdem.

Frankreich

Zum Einen wird gerne auf Frankreich verwiesen. Dort ist seit gestern auch eine weitere Subventionierung des Industriestrompreises im Gespräch. Tatsächlich wird der Strompreis in Frankreich aber für alle künstlich niedrig gehalten: Privatleute, kleine und große Unternehmen. Deswegen sind e-Auto und Wärmepumpe dort auch deutlich kostengünstiger.

Gerne wird dabei auf den niedrigen Automstrompreis im Nachbarland verwiesen. Diesem Gedanken kann ich mich nur begrenzt anschließen. Viele Kosten des Atomstroms werden aus dem Steuersäckel subventioniert, der Preis ist also bereits verzerrt.

Was meiner Meinung nach wichtiger ist: in Frankreich werden die Strom-Subventionen für alle auch von allen Steuerzahlern gezahlt. Das heißt, es gibt eine Umverteilung von Reich nach Arm. In Deutschland planen wir eher eine Umverteilung von Privat auf Industrie. Das halte ich für deutlich weniger sinnvoll.

Mein Fazit zu diesem Punkt: wenn schon Subvention, dann eher wie in Frankreich.

Und in Deutschland?

Der Kernpunkt besteht meiner Meinung nach in der dringend notwendigen Ausweitung des Stromangebots. Marktwirtschaftlich gesehen senkt dies, und nur dies, die Strompreise. Wir müssen es schaffen, die teuren Spitzenlastkraftwerke aus der Preisbildung wegzubekommen.

Wer jetzt „Atom“ ruft, dem gebe ich nur bedingt Recht. Ich persönlich halte die Abschaltung der beiden AKWs in Süddeutschland für einen Fehler. Das im Norden war allerdings nicht nötig, der Norden hat eh mehr als genug Strom (ohne auf Details eingehen zu wollen). Man muss dazu auch wissen, dass die Abschaltung von Neckarwestheim eigentlich so geplant war, dass zeitgleich Südlink in Betrieb gehen sollte. Dadurch wäre die fehlende Kraftwerksleistung ausgeglichen wurden. Nun ist das AKW aber weg, und Südlink wird noch mindestens weitere fünf Jahre nicht da sein! Unter diesem Aspekt hätte man meiner Meinung nach durchaus dort nochmal neue Brennstäbe einsetzen können. Bei Isar II kenne ich mich nicht so aus, vermute aber ähnliches.

Der Neubau von Atomkraftwerken dauert aber zu lange, um uns in den nächsten Jahren wirklich schnel genug zu helfen. Da bin ich dann Ausnahmsweise mal bei Bundeskanzler Scholz: „das Atomzeitalter ist in Deutschland vorbei“.

Was es nun aber absolut dringend braucht ist der Ausbau der erneuerbaren Energie. Und das möglichst so, dass man die Bevölkerung nicht gegen sich aufbringt. Prinzipiell möglich ist so etwas, wie man ganz lokal hier vor Ort an der „Energie Großrinderfeld“ sehen kann.

Auch dabei sehen wir aber die Probleme, oft vom Bund geschaffen. Die Genehmigungsverfahren sind sehr schwergängig. Tiefflugzonen der Bundeswehr sind zahlreich, und schwierig zu ermitteln. Nebenbei: hilft als Abwehr gegen die Deutsche Luftwaffe das Aufstellen von Windrädern? – aber das nur am Rande. Eines der schwierigsten Probleme ist aber der mangelhafte Netzausbau.

Der aus meiner Sicht größte Engpass der Energiewende: Die Verteilnetze. Hier muss man ansetzen. Und zwar schnell. (Symbolfoto: 1195798 / Pixabay)

Nicht nur die großen Stromtrassen wie Südlink kommen nicht recht voran. Auch und gerade des „Einspeisenetz“ auf dem Land ist viel zu schwach und kann den geforderten Ausbau (2% Regel!) gar nicht aufnehmen. Massive Verstärkungen, Ausbauten sind hier erforderlich. So massiv, dass man sich in Anbetracht von Materialverfügbarkeit und Fachkräftemangel fragen kann, ob das bis 2030 überhaupt möglich ist. Immerhin ist das Problem mittlerweile bei der Landesregierung angekommen. Wir brauchen hier aber nicht nur Planungen, sondern auch konkrete Taten, und das schnell.

Hätten wir einen besseren Netzausbau, hätten wir auch schon niedrigere Strompreise. Der so gern zitierte „Mangel an Strom“, der gelegentlich zur Anschaltung von Fossilen Kraftwerken gerade im Süden führt ist nämlich fast immer gar kein Mangel an Strom. Es fehlt einfach nur die Netzkapazität um den tatsächlich vorhandenen Strom dahin zu transportieren, wo er gebraucht wird.

Wer sich lobt, rasend schnell LNG-Terminals zu bauen sollte vielleicht auch besser einmal über den schnellen Ausbau von zuerst Netzen und dann Erzeugungsanlagen nachdenken. Hier wären Subventionen meiner Meinung nach auch deutlich besser aufgehoben.

Wasserstoff…

Alle Energie werden wir dabei mit ziemlicher Sicherheit auch nicht in Deutschland alleine produzieren können. Deswegen müssen wir parallel auch über den Import von Wasserstoff und die dafür notwendige Infrastruktur nachdenken – und es dann auch machen.

Und, was Wasserstoff angeht: wir müssen uns ehrlich machen: Wasserstoff ist viel zu teuer und wertvoll, um ihn in Heizungen, Autos oder Zügen zu verbrennen. Er sollte da genutzt werden, wo er wirklich und unvermeidlich gebraucht wird. Das gleich gilt übrigens auch über den schönen Traum von e-Fuels, die, wenn überhaupt, eher in den Flugverkehr einziehen werden. Reiner Wasserstoff erfordert übrigens auch einen Heizungstausch.

Wer Wasserstoff über Pipelines transportieren will, oder mit Schiffen auf den Weltmeeren schippern, der kann übrigens auch „Strompipelines“ bauen. Das ist sogar einfacher. Und das Argument mit den „unsicheren Regionen“ gilt ja wohl ziemlich genau so, wenn wir dort Wasserstoff erzeugen. Das gilt übrigens heute schon so für Öl- und Gaspipelines.

Mein persönliches Fazit

Wir brauchen einen Ausbau der Stromnetze, sowohl im Großen wie auch im Kleinen. Wir brauchen smartere Verfahren und Strompreise. die Anreize zum Sparen setzen (nicht in form von „teuerer“ sondern „zur richtigen Zeit deutlich billiger“. Wir brauchen den Ausbau der Erneuerbaren. Neue Atomkraftwerke kommen zu spät und sind daher nicht mehr Teil der Lösung. Es ist schade, dass wir Neckarwestheim und Isar II abgeschaltet haben, aber auch das ist leider Geschichte. Wir brauchen vor allem mehr Ehrlichkeit in Berlin, und eine massiv bessere Kommunikation der Ampel.

Was wir dafür nicht brauchen können, ist ein vermutlich dauerhaft massiv subventionierter Industriestrompreis. Wir brauchen konkrete Vorgaben und vertrauenswürdige hohe Geschwindigkeit. Wenn man darauf vertrauen kann, dann wird auch ein Betriebswirt die Vorteile des Standorts Deutschland erkennen. Ach ja: es würde wahrscheinlich auch nicht schaden, als Staat wieder mehr in Deutschland als in China zu kaufen.

Sag ich mal so als kleiner Gemeinderat…